Die politische Laufbahn von Carlo Schmid beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. "Was heißt eigentlich: Grundgesetz?", fragt er 1948 als Mitglied des Parlamentarischen Rates, der eine Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeiten soll. "Eine Verfassung", erklärt der Jurist, "ist nichts anderes als die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes."
Mehrere zentrale Punkte des Grundgesetzes gehen auf den SPD-Politiker zurück. Dazu gehören das Asylrecht, die Abschaffung der Todesstrafe und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Aber auch das konstruktive Misstrauensvotum - die Regelung besagt, dass ein Kanzler nur gestürzt werden kann, wenn gleichzeitig ein neuer gewählt wird.
Die soziale Frage lösen
Zudem sind die Grundrechte dank Schmid nicht am Ende, sondern am Anfang des Grundgesetzes aufgeführt. Sie sollen "ein Leben in Freiheit und Würde" garantieren. Er will die soziale Frage lösen, um nach dem Nationalsozialismus das Land zu demokratisieren.
Schmid, der am 3. Dezember 1896 in Perpignan geboren wird, stammt aus dem Bildungsbürgertum. Seine Mutter ist Französin, sein Vater Deutscher. Carlo besucht in Stuttgart das Gymnasium. Im Ersten Weltkrieg kämpft er für Deutschland, zu Hause wird aber nur noch französisch gesprochen.
Innere Emigration
Nach Kriegsende studiert Schmid Rechtswissenschaften. Er arbeitet als Rechtsanwalt, Amtsrichter und schließlich als Dozent für Völkerrecht an der Universität Tübingen. Diese Stelle behält er auch nach der Machtübernahme von Adolf Hitler. Da Schmid den Nationalsozialismus als Philosophie von Viehzüchtern bezeichnet, wird er jedoch von Beförderungen ausgeschlossen.
Im Zweiten Weltkrieg wird er als "Kriegsgerichtsrat" in Lille eingesetzt. Er muss mehrfach Listen von zu erschießenden Geiseln zusammenstellen. Als Reaktion auf seine Gewissensnöte zieht er sich abends in eine Art innere Emigration zurück und übersetzt französische Werke ins Deutsche.
Deutsch-französische Freundschaft
1946 lehrt Schmid als Professor in Tübingen. Er wird Mitglied im SPD-Parteivorstand. Nach der Gründung der Bundesrepublik ist er Abgeordneter und Vizepräsident des Bundestags. Das ganz große Amt bleibt ihm jedoch verwehrt: 1959 verliert er die Bundespräsidentenwahl gegen Heinrich Lübke.
Schmid sei kein Mann der ersten Reihe, aber unersetzlich, heißt es damals. Er setzt sich jahrelang für die deutsch-französischen Beziehungen ein. 1972 verlässt er den Bundestag. Carlo Schmid stirbt am 11. Dezember 1979 in Bonn.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. Dezember 2021 an Carlo Schmid. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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