Der Fall der Berliner Mauer 1989 und die deutsche Wiedervereinigung 1990 geben dem europäischen Einigungsprozess eine völlig neue Dynamik. Die bisherige Blockbildung zwischen West und Ost bricht auf. Es ist die historische Chance, mit einem geeinten Europa den Frieden zu sichern.
In dieser politischen Lage vereinbaren auf einem Gipfeltreffen im niederländischen Maastricht, nahe der deutschen und belgischen Grenze, die 12 EU-Mitgliedstaaten im Dezember 1991 eine Neuordnung der EU. Alle Länderparlamente müssen den weitreichenden Vertrag ratifizieren. Dänemark hält sogar zwei Referenden ab, bis die Bevölkerung einem modifizierten Vertrag zustimmt.
Kein Referendum in Deutschland
In Deutschland befasst sich der Bundestag am 2. Dezember 1992 mit dem EU-Vertrag von Maastricht. Konrad Weiß, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, wäre ein Referendum lieber gewesen. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler befürchtet, der Vertrag mache die Menschen in Warschau, Prag, Bratislava und Bukarest "auf Jahrzehnte zu Europäern zweiter Klasse".
Oder lieber "Vereinigte Staaten von Europa"?
Auch Erich Fritz, CDU, kritisiert den Vertrag. Er wünscht sich die "Vereinigten Staaten von Europa" mit einer eigenen Regierung und Verfassung. Ein weitreichender Vorschlag jenseits der Mehrheitsfähigkeit. Denn bereits die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion wird in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Der Vertrag von Maastricht legt die Grundlage für die Einführung des Euro, die in zwei Schritten 1999 und 2002 erfolgt. Ebenfalls neu sind mehr Rechte für das EU-Parlament sowie eine engere Zusammenarbeit in der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik.
Große Mehrheit für den Vertrag
Der historische Tag im Deutschen Bundestag in Bonn endet am 2. Dezember 1992 mit einer überwältigenden Mehrheit für die neue EU-Ordnung: 543 Abgeordnete (unter ihnen Erich Fritz) stimmen dafür, 17 (unter ihnen Konrad Weiß) stimmen dagegen, acht enthalten sich. Der Vertrag tritt am 1. November 1993 in Kraft. Eine historische Weichenstellung, die heute noch das Leben von mehr als 447 Millionen Menschen in der EU mit ihren aktuell 27 Mitgliedstaaten bestimmt.
Autor des Hörfunkbeitrags: Kay Bandermann
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Dezember 2022 an die Ratifizierung des EU-Vertrags von Maastricht. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 03.12.2022: Vor 470 Jahren: Todestag des Heiligen Francisco de Xavier