Im Jahr 1991 verändert sich die politische Landschaft einschneidend: Die Sowjetunion zerfällt, der Balkankonflikt eskaliert militärisch, im wiedervereinigten Deutschland kommt es in Hoyerswerda zu ersten rassistischen Ausschreitungen. Seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, hat eine Welle des Nationalismus Europa erfasst. Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) setzt auf Einheit: "Es geht wirklich um eine Grundentscheidung, ob Europa nach vorne entwickelt wird, oder ob eine Rückkehr zu nationalem Egoismus kommt."
Die Grundentscheidung soll in der niederländischen Stadt Maastricht fallen. Dort treffen sich am 9. Dezember 1991 die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft (EG). Sie wollen den Weg zur Europäischen Union (EU) und zum Euro ebnen. Die treibenden Kräfte sind Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand und Deutschlands Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU).
Kohl warnt vor Scheitern
Kernpunkte des Vertragsentwurfs sind eine gemeinsame Außenpolitik, eine enge Zusammenarbeit von Justiz und Polizei und vor allem die Einführung einer gemeinsamen Währung. Ein politischer Zusammenschluss, eine Art Vereinigte Staaten von Europa, wie sie sich manche wünschen, ist nicht durchsetzbar. Es gibt Kritik: "Das ist ein Unbehagen - gegen Bürokratie, gegen die Tatsache, dass dieses Europa sich entwickelt, ohne die Tatsache, dass entsprechende demokratische Institutionen da sind", diagnostiziert der SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen.
Angeführt wird der Widerstand von den Briten. Ex-Premierministerin Margret Thatcher stört sich vor allem am wachsenden Einfluss der EU-Kommission und an der geplanten Einführung des Euro. Kohl hält dagegen und warnt vor dem Gipfeltreffen in einem Interview: "Ein Scheitern wäre eine Bankrotterklärung."
Briten bestehen auf Sonderweg
Der britische Premier John Major nutzt den selbst auferlegten Zwang zur Einigung und setzt einen Sonderweg durch. Großbritannien trägt weder eine gemeinsame europäische Sozialpolitik, noch muss das Land den Euro einführen. Im Februar 1992 wird der Vertrag über die Europäische Union von Maastricht unterzeichnet. Er löst die 1957 geschlossenen Römischen Verträge ab, tritt aber erst am 1. November 1993 in Kraft.
Zuvor hat es in Deutschland mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den Maastricht-Vertrag gegeben. Die Karlsruher Richter bestätigten im Oktober 1993 jedoch dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Der britische Widerstand gegen den Vertrag mündet in die Gründung der "United Kingdom Independence Party" (UKIP). Sie fordert Großbritanniens Austritt aus der EU. Knapp 25 Jahre nach Maastricht stimmten die Briten in einem Referendum für den sogenannten Brexit.
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