Im Herbst 1941 stellt die Gestapo dem bekannten Schlagerdichter Bruno Balz eine Falle. Bei einer Party in seiner Berliner Wohnung taucht ein junger Mann auf, der ihn ins Schlafzimmer lockt. Als Bruno Balz anfängt sich zu entkleiden, schlagen die Beamten zu. Wochenlang wird Balz im Gestapo-Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Straße festgehalten und gefoltert. Er soll ins KZ deportiert werden.
Doch dazu kommt es nicht. Darüber, wer sich für ihn einsetzt, gibt es verschiedene Versionen: seine Freundin Zarah Leander, sein Komponist Michael Jary oder Propagandaminister Goebbels persönlich. Klar ist: Balz soll für den NS-Propaganda-Film "Die große Liebe" die Liedtexte schreiben. Das Ergebnis sind Durchhalte-Schlager zur "Kriegsertüchtigung", die Zarah Leander singt: "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n" und "Davon geht die Welt nicht unter".
Wegen dieser Texte wird Bruno Balz nach Kriegsende von den siegreichen Alliierten als "Hitlers Hitschreiber" kurzzeitg inhaftiert - allerdings bald wieder freigelassen, als die Geschichte seiner eigenen Verfolgung bekannt wird. Zu seinen Liedern sagt Bruno Balz selbst später: "Man konnte es auslegen, wie man wollte. Man kann sagen, von den Bomben geht die Welt nicht unter für uns, oder von den Bösartigkeiten der Nazis."
Unsichtbare Person
Der am 6. Oktober 1902 in Berlin geborene Balz steht bereits 1933 auf der berüchtigten "Rosa Liste" der Nationalsozialisten. Er kann aber auch nach der Machtübernahme Hitlers seine Karriere fortsetzen. Er gehört zu den Top-Autoren des deutschen Kinos. 1936 wird Balz zum ersten Mal verhaftet. Da hat er allerdings bereits so bekannte Lieder verfasst wie "Kleine Möwe, flieg nach Helgoland" und "In der Heide blüh'n die letzten Rosen". Er kann es auch nicht lassen, manche seiner Liedtexte aufgrund seiner Homosexualität doppeldeutig anzulegen: "Kann den Liebe Sünde sein? Darf es niemand wissen, wenn man sich küsst?"
Wegen seines kriegswichtigen Gespürs fürs Populäre wird Bruno Balz freigelassen - unter der Bedingung, dass er eine unsichtbare Person wird. Seine Fotos werden vernichtet, als Autor seiner Lieder wird er nicht mehr genannt. Zudem muss Balz eine Scheinehe eingehen. Trotz der Repressalien textet er einen Hit nach dem anderen - vor allem für Zarah Leander, aber auch für Heinz Rühmann, der mit "Ich brech die Herzen der stolzesten Frau'n" großen Erfolg hat.
Mega-Hits in den 1960er-Jahren
Der Paragraf 175, der Sex zwischen Männern unter Strafe stellt, gilt auch in der Nachkriegszeit. Für Bruno Balz geht das Versteckspiel weiter: Er wagt es nicht, sich scheiden zu lassen, weil sie damit droht, seine Homosexualität publik zu machen.
In den 1960er-Jahren gelingen Balz erneut einige Mega-Hits. Darunter ist "Wir wollen niemals auseinandergeh'n". Diesen Song, den er für ein Comeback von Zarah Leander geschrieben hat, gibt Komponist Jary heimlich der jungen Heidi Brühl - was zum dauerhaften Zerwürfnis zwischen den beiden Freunden führt.
Homosexualität weiterhin tabu
1968 wird der Titel "Mama" die meistverkaufte deutsche Single. Geschrieben hat Balz den Text für den zwölfjährigen Niederländer Heintje: "Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen". Dass der Autor Männer liebt, darf auch damals noch niemand wissen.
Bruno Balz stirbt 1988 mit 85 Jahren am Tegernsee. In seinem Testament verfügt er, dass die ersten zehn Jahre nach seinem Tod nicht über ihn gesprochen werden darf. Erst danach öffnet sein Lebensgefährte und Erbe Jürgen Draeger die Archive.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Christiane Kopka
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. Oktober 2022 an Bruno Balz. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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