19. Juli 2013 - Der deutsche Torhüter Bert Trautmann stirbt in Spanien

Ausgerechnet in England wird ein deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg zur Fußball-Legende. Auch, weil dieser Bert Trautmann einmal mit gebrochenem Genick weiterspielt und das Tor von Manchester City hütet.

Immer wieder muss Bert Trautmann die Geschichte erzählen: Die Episode vom FA-Cup Finale am 5. Mai 1956 zwischen Manchester City und Birmingham City im Londoner Wembley Stadion. Als er nach einem Zusammenprall trotz eines Genickbruchs und fünf verrenkten Halswirbeln einfach weiterspielt. Dadurch wird er in England zum Fußballhelden.

Erst Kriegsgefangener, dann Torwartlegende: Bert Trautmann WDR ZeitZeichen 19.07.2023 14:45 Min. Verfügbar bis 19.07.2099 WDR 5

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Der perfekte Hitlerjunge

Bert Trautmann wird 1923 als Bernhard Carl Trautmann in Bremen geboren. Der sportbegeisterte Junge wird ab 1933 von nationalsozialistischen Jugendorganisationen wie der Hitlerjugend angezogen.

Er war der perfekte Hitlerjunge. Groß, blond, blauäugig und unfassbar sportlich. Trautmann-Biografin Catrine Clay

Mit 17 Jahren meldet Trautmann sich freiwillig zur Wehrmacht und lässt sich zum Fallschirmjäger ausbilden. An der Front in Russland und in der Ukraine wird er mit der Brutalität des Krieges konfrontiert.

Aus "Bernd" wird "Bert"

Zum Feldwebel befördert landet Trautmann letztlich in Frankreich, wo er im März 1945 von den Briten gefangen genommen und als Kriegsgefangener in ein Lager nahe Liverpool gebracht wird. Hier soll er entnazifiziert und aufs Leben in der Demokratie vorbereitet werden.

Je nach Gesinnung stuft man die Gefangenen in eine von drei Kategorien ein: "Schwarz" steht für überzeugte Nationalsozialisten, "weiß" für Regimegegner, "grau" für die Mitläufer. Bernd Trautmann zählt zur Kategorie schwarz.

"Man sagte: sei froh, dass du noch am Leben bist. Und jetzt kann nichts mehr passieren. Ich meine, vorhersehen konnte man ja nicht, wie man behandelt werden würde als Kriegsgefangener. Aber ich muss in Fairness sagen, andere haben vielleicht andere Erfahrungen gesammelt, wurden wir also sehr fair von den Engländern behandelt." Bert Trautmann

Zusammen mit anderen Gefangenen spielt er Fußball und schon bald spricht sich das Talent des jungen Deutschen herum. Sie nennen ihn "Bert", weil "Bernd" mit englischem Akzent gesprochen wie "Burned" (verbrannt) klingt.

Die Fans sind not amused

Nach der Entlassung und seiner Entscheidung in England zu bleiben, erhält Trautmann erste Angebote von Fußballvereinen und landet später bei Manchester City. Viele Fans sind zunächst empört über den "Nazi" und empfangen ihn im Stadion mit Rufen wie "Off with the German" oder "Traut the Kraut".

Bestleistung mit gebrochenem Genick

Zusammenprall zwischen Bert Trautmann (li.) und Peter Murphy im FA-Cup Finale 1956 | Bildquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Zur Legende wird Bert Trautmann mit dem Finale des FA Cups 1956 im Londoner Wembley Stadion zwischen Manchester City und Birmingham City. In der 75. Spielminute wirft er sich in eine flache Hereingabe vor den Fünfmeterraum und wird von Birminghams Stürmer Peter Murphy mit dem Knie im Nacken getroffen. Da zu dieser Zeit noch keine Auswechslungen erlaubt sind, spielt Trautmann weiter und wird zum Spieler des Tages, weil er trotz Verletzung sein Tor verbissen gegen das anstürmende Birmingham sauber hält.

Drei Tage nach dem Spiel zeigt eine Röntgenuntersuchung, dass Trautmann sich bei dem Zusammenprall mit Murphy einen Genickbruch zugezogen hat und fünf weitere Halswirbel ausgerenkt sind. Diese Verletzung hätte unter unglücklichen Umständen tödlich enden können. Trautmann muss fünf Monate von Kopf bis zu den Hüften in Gips verbringen und danach mit einer Schutzkappe spielen.

Schlussstrich nach über 500 Ligaspielen

Mit fast 41 Jahren und über 500 Ligaspielen ist 1964 Schluss. Offiziell 47.000 - laut Augenzeugen weit mehr - Zuschauer besuchen die letzte Partie ihres Lieblings. Danach reißen die Fans die Pfosten des Tores heraus. Weil zwischen diesen Pfosten niemand anderes mehr stehen soll als "Traut the Kraut".

Eine Geschichte von Versöhnung

Am 19. Juli 2013 stirbt Bernd Trautmann in seiner spanischen Wahlheimat mitten in den Vorbereitungen zu seinem 90. Geburtstag. Nach seinem Tod schreibt der Deutsche Fußballbund, für den er übrigens niemals zwischen den Pfosten stand:

"Die Geschichte von Bert Trautmann ist eine Erzählung von Vergebung, von Menschlichkeit, auch von menschlicher Größe einer Nation. Eine Geschichte von Versöhnung, von Gräben, die zugeschüttet, von Brücken, die gebaut wurden, vom Händereichen zwischen England und Deutschland." DFB-Erklärung zum Tode Bert Trautmanns

Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. Juli 2023 an den deutschen Torhüter Bert Trautmann. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 20.07.2023: Vor 50 Jahren: Todestag des chinesisch-amerikanischen Kampfkünstlers und Schauspielers Bruce Lee.