Immer wieder muss Bert Trautmann die Geschichte erzählen: Die Episode vom FA-Cup Finale am 5. Mai 1956 zwischen Manchester City und Birmingham City im Londoner Wembley Stadion. Als er nach einem Zusammenprall trotz eines Genickbruchs und fünf verrenkten Halswirbeln einfach weiterspielt. Dadurch wird er in England zum Fußballhelden.
Der perfekte Hitlerjunge
Bert Trautmann wird 1923 als Bernhard Carl Trautmann in Bremen geboren. Der sportbegeisterte Junge wird ab 1933 von nationalsozialistischen Jugendorganisationen wie der Hitlerjugend angezogen.
Mit 17 Jahren meldet Trautmann sich freiwillig zur Wehrmacht und lässt sich zum Fallschirmjäger ausbilden. An der Front in Russland und in der Ukraine wird er mit der Brutalität des Krieges konfrontiert.
Aus "Bernd" wird "Bert"
Zum Feldwebel befördert landet Trautmann letztlich in Frankreich, wo er im März 1945 von den Briten gefangen genommen und als Kriegsgefangener in ein Lager nahe Liverpool gebracht wird. Hier soll er entnazifiziert und aufs Leben in der Demokratie vorbereitet werden.
Je nach Gesinnung stuft man die Gefangenen in eine von drei Kategorien ein: "Schwarz" steht für überzeugte Nationalsozialisten, "weiß" für Regimegegner, "grau" für die Mitläufer. Bernd Trautmann zählt zur Kategorie schwarz.
Zusammen mit anderen Gefangenen spielt er Fußball und schon bald spricht sich das Talent des jungen Deutschen herum. Sie nennen ihn "Bert", weil "Bernd" mit englischem Akzent gesprochen wie "Burned" (verbrannt) klingt.
Die Fans sind not amused
Nach der Entlassung und seiner Entscheidung in England zu bleiben, erhält Trautmann erste Angebote von Fußballvereinen und landet später bei Manchester City. Viele Fans sind zunächst empört über den "Nazi" und empfangen ihn im Stadion mit Rufen wie "Off with the German" oder "Traut the Kraut".
Bestleistung mit gebrochenem Genick
Zur Legende wird Bert Trautmann mit dem Finale des FA Cups 1956 im Londoner Wembley Stadion zwischen Manchester City und Birmingham City. In der 75. Spielminute wirft er sich in eine flache Hereingabe vor den Fünfmeterraum und wird von Birminghams Stürmer Peter Murphy mit dem Knie im Nacken getroffen. Da zu dieser Zeit noch keine Auswechslungen erlaubt sind, spielt Trautmann weiter und wird zum Spieler des Tages, weil er trotz Verletzung sein Tor verbissen gegen das anstürmende Birmingham sauber hält.
Drei Tage nach dem Spiel zeigt eine Röntgenuntersuchung, dass Trautmann sich bei dem Zusammenprall mit Murphy einen Genickbruch zugezogen hat und fünf weitere Halswirbel ausgerenkt sind. Diese Verletzung hätte unter unglücklichen Umständen tödlich enden können. Trautmann muss fünf Monate von Kopf bis zu den Hüften in Gips verbringen und danach mit einer Schutzkappe spielen.
Schlussstrich nach über 500 Ligaspielen
Mit fast 41 Jahren und über 500 Ligaspielen ist 1964 Schluss. Offiziell 47.000 - laut Augenzeugen weit mehr - Zuschauer besuchen die letzte Partie ihres Lieblings. Danach reißen die Fans die Pfosten des Tores heraus. Weil zwischen diesen Pfosten niemand anderes mehr stehen soll als "Traut the Kraut".
Eine Geschichte von Versöhnung
Am 19. Juli 2013 stirbt Bernd Trautmann in seiner spanischen Wahlheimat mitten in den Vorbereitungen zu seinem 90. Geburtstag. Nach seinem Tod schreibt der Deutsche Fußballbund, für den er übrigens niemals zwischen den Pfosten stand:
Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. Juli 2023 an den deutschen Torhüter Bert Trautmann. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 20.07.2023: Vor 50 Jahren: Todestag des chinesisch-amerikanischen Kampfkünstlers und Schauspielers Bruce Lee.