"Das geschickte, wundersame Mädchen", "unsere junge Künstlerin und Freundin" - Johann Wolfgang Goethe ist beeindruckt von Angelica Facius. Sie ist 17, als der Hofbildhauer Peter Kaufmann sie dem Dichter vorstellt. "Mit väterlicher Teilnahme und Sorgfalt beobachtete er alle meine Leistungen, verlangte jede Arbeit zu sehen, und ich durfte zu allen Zeiten bei ihm vorkommen, wenn ich eines Rates bedurfte."
Die am 13. August 1806 in Weimar geborene Angelica ist begabt. Ihr Vater Friedrich Wilhelm Facius schneidet Gemmen, also Schmucksteine, und graviert Medaillen. Schon früh beginnt Angelica, Tiere und Pflanzen zu formen. Ihr Vater unterrichtet sie im Stein- und Stempelschneiden. Bei Hofbildhauer Kaufmann lernt sie zeichnen und modellieren.
Eine Büste des Zaren
Goethe empfiehlt die 19-Jährige seinem Gönner Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar. Angelica präsentiert ihm eine Medaille zu seinem 50. Regierungsjubiläum. Daraufhin übernimmt der Herzog die Kosten für Angelica Facius' Ausbildung.
Goethe bringt sie beim Bildhauer Christian Daniel Rauch in Berlin unter, wo sie 1827 ihre Lehre beginnt. Den Komponisten Carl Friedrich Zelter bittet er, die junge Frau in die Gesellschaft einzuführen. Schon nach zwei Jahren modelliert sie eine Büste des Zaren Nikolaus und erhält dafür einen Preis der Berliner Akademie.
Eigenständige Künstlerin
Angelica Facius lebt in einer Wohngemeinschaft mit anderen Künstlern. In den Salons lernt sie Mendelssohn, Hegel, Schleiermacher und die Humboldts kennen. Nach sieben Jahren künstlerischer Ausbildung bei Rauch, einem Graveur und einem Porzellanmeister kehrt sie nach Weimar zurück und behauptet sich als eigenständige Künstlerin.
Das "Kunst-Blatt", die erste kunstgeschichtliche Zeitung in Deutschland, lobt ihre vielfältigen Arbeiten. Neben Gips-Büsten und Bronze-Skulpturen entstehen Medaillen und Gemmen. Beim Bau des neuen Schlossflügels in Weimar übernimmt sie die plastischen Arbeiten für das Goethe-Zimmer.
Im Alter verarmt
Auch aus Jena, Nürnberg und Eisenach kommen Aufträge. Selbstbewusst verteidigt Angelica Facius ihr Urheberrecht. So fordert sie die Form zur Herstellung der Büste des Großherzogs zurück, um die Kontrolle über die Zahl der Kopien zu behalten.
Berühmt sind ihre Relief-Porträts von 19 Weimarer Persönlichkeiten, die heute im Grünen Gewölbe in Dresden aufbewahrt werden. Trotzdem verarmt Angelica Facius im Alter, weil sie aufgrund von Krankheiten nicht mehr arbeitsfähig ist. Sie stirbt am 17. April 1887 mit 80 Jahren in Weimar.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. April 2022 an Angelica Facius. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 18.04.2022: Vor 100 Jahren: Erste Esperanto-Konferenz in Genf