Das war dann sogar einem Ordner der Querdenken-Demo zu viel: Vor laufender Kamera warf er der Frau "Verharmlosung des Holocaust" vor, zog seine Ordner-Weste aus und ging.
Daraufhin verließ auch die vom Ordner angesprochene Rednerin die Bühne. Ihre Rede hielt sie später aber dennoch und wiederholte auch den Vergleich mit der Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Sophie Scholl.
Was ist passiert?
Auf einem Video, das bei Twitter bis zum Sonntagmorgen über eine Million Mal geklickt wurde, ist die junge Frau, die sich als "Jana aus Kassel" vorstellt, zu sehen.
Sie steht auf einer kleinen Bühne, als sie verkündet, sie fühle sich "wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde".
Nach wenigen Sätzen taucht ein junger Mann vor der Bühne auf. "Für so einen Schwachsinn mache ich doch keinen Ordner mehr", ruft er und reicht der Frau seine orangefarbene Weste. Eine solche "Verharmlosung vom Holocaust" sei "mehr als peinlich". Die Rednerin beginnt zu weinen und wirft ihr Mikrofon weg. Polizisten erscheinen und geleiten den Mann von der Bühne weg. Nach einem Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" soll der Ordner der linksextremen Szene der Stadt angehören.
In einem später geposteten Ausschnitt ist die Frau erneut zu sehen. Sie gibt sich "schockiert, dass ich von einem Passanten, oder was auch immer, beleidigt wurde". Im Netz löste der Vorfall bereits sehr viele Reaktionen aus.
Warum hinkt der Vergleich?
Sophie Scholl hatte sich im Jahre 1942 während des Nazi-Regimes gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl und weiteren Studenten in München zur Widerstandsgruppe "Weiße Rose" zusammengeschlossen. Vor allem mit Flugblättern versuchten sie, die Bevölkerung über das mörderische Unrecht und die Gefahr aufzuklären, die von den Nationalsozialisten ausging und riefen zum Widerstand auf.
Sie mussten dabei sehr vorsichtig und im Geheimen vorgehen: Denn sie riskierten ihr Leben, da sich Deutschland unter Adolf Hitler in einer Diktatur befand und Kritik an der Regierung mit dem Tod bestraft wurde. Insofern war das Tun der damals 21-Jährigen zwangsläufig mit großem Mut verbunden - was ihr im Nachhinein weltweite Würdigung und Bewunderung einbrachte.
Die 21-jährige Sophie Scholl und ihr Bruder Hans wurden schließlich bei einer Flugblattaktion in der Uni München verhaftet und am 22. Februar 1943 hingerichtet.
Das Einzige, was "Jana aus Kassel" mit Sophie Scholl eint, ist die Tatsache, dass beide Flugblätter beziehungsweise Flyer verteilten. "Jana aus Kassel" riskiert allerdings weder ihr Leben noch ihre Freiheit, wenn sie, wie sie sagt, Flyer für die coronakritische Gruppe "Querdenken" verteilt, auf deren Bühnen ihre persönliche Meinung kundtut oder selber Demonstrationen anmeldet.
Denn: Wir leben in einem demokratischen Staat. Jeder Mensch kann jederzeit und in jeder Deutlichkeit seine Meinung äußern, in beliebiger Häufigkeit dafür demonstrieren und auch mit markanten Worten die Regierung kritisieren - ohne dafür staatliche Sanktionen befürchten zu müssen.
Im Gegenteil: "Querdenken"-Vertreter wie Jana aus Kassel genießen bei ihren Auftritten den Schutz der Polizei. Strafbar sind in Deutschland nur sehr wenige Behauptungen, darunter etwa, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe.
Wie sind die Reaktionen?
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) reagierte auf den Vorfall auf Twitter: "Wer sich heute mit Sophie Scholl oder Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen", schreibt er. "Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen. Nichts!"
Auf Twitter erntete die Demonstrantin einen Shitstorm. User raten ihr, mal ein Buch zu lesen oder Geschichtsunterricht zu nehmen. "#janaauskassel", schreibt ein User, "zieht das Andenken einer der tapfersten Frauen der Welt in den Dreck." Viele schätzen diese Äußerung der Kasselerin als so schwerwiegend ein, dass sie damit ihre berufliche Zukunft zerstört haben könnte.
Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) lobt die "super Reaktion" des Ordners und attestiert der Rednerin "groteskes Selbstmitleid": Jeder, der schon einmal beatmete Menschen an Lungenentzündung sterben sah, könne "einen solchen Schwachsinn nicht ernst nehmen".