Die Demos gegen die Corona-Maßnahmen sind nicht neu, sie scheinen nur immer weiter zu eskalieren. Ende August rannten Demonstrierende, darunter Rechtsextremisten, in einer großen Gruppe die Treppen des Reichstagsgebäudes hinauf. Am Rande der Demo am Mittwoch gelangten dann Menschen in den Bundestag, nach ARD-Informationen mit Hilfe von AfD-Abgeordneten, und bedrängten dort Abgeordnete.
Diese gefühlten Grenzübertritte lösen viele Diskussionen über den richtigen Umgang mit den Demonstrierenden aus, von denen viele an Verschwörungsmythen glauben. Soll man sie ignorieren? Zuhören? Kritisieren? Mit Fakten konfrontieren? Differenzieren?
Der Kulturhistoriker Michael Butter, der viel zu Verschwörungstheorien geforscht hat, sagte dem WDR, dass Politik und Wissenschaft überzeugte Verschwörungstheoretiker kaum erreichen könnten - oft sei es sogar kontraproduktiv. "Viele glauben noch mehr an ihre Theorien, wenn man sie mit schlüssigen Gegenbeweisen konfrontiert."
Wissenschaftlerin: Prävention muss besser werden
Folgt man der Argumentation, sollte sich die Politik darauf konzentrieren, Gesetzesverstöße konsequent zu ahnden. Die Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun betont, Politik und Sicherheitsbehörden müssten auch präventiv besser vorgehen. "Sie müssen auf die bekannten Akteure achten, die zu Gewalt aufrufen. Es kann nicht sein, dass ein geplanter Flashmob in der Berliner Bahn stattfindet, wo Menschen angesprochen werden, ihre Masken abzusetzen. Solche Aufrufe werden öffentlich gepostet."
Und was tun gegen aggressiv aufgeladene Demonstrationen, wo die Hygieneregeln konsequent missachtet werden? Butter sagt mit Blick auf die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, das Demonstrationsrecht sei essenziell - die Teilnehmerzahl der Demos sollte aber regelmäßig beschränkt werden. Und die Politik müsse darauf achten, symbolträchtige Bilder wie die auf der Reichstagstreppe zu verhindern. Auch Nocun erklärt, manche Demonstrierenden würden gezielt versuchen, solche Bilder zu schaffen.
Corona-Leugner überzeugen: Am ehesten im Privaten
Chancen, Anhänger von Verschwörungsmythen zu überzeugen, gebe es im Privaten. Wer solche Menschen im engeren Kreis habe, könne sie zum Umdenken bringen. Das sei aber ein langfristiger Prozess, kurzfristige Konfrontationen hätten selten Erfolg, erklärt Butter. "Wenn man mal eben auf den Tisch haut, reagieren viele mit Abwehrmechanismen."
Man müsse langfristig verstehen wollen, warum sie an bestimmte Verschwörungsmythen glauben. Das könne für Angehörige extrem anstrengend werden. Nocun empfiehlt, dass die Bundesregierung Angehörigen deshalb neue Beratungsstellen schafft, bei denen sie Unterstützung finden.
Butter und Nocun verweisen beide auf die Radikalisierung der Bewegung - sie plädieren aber auch dafür, die Gruppe nicht zu wichtig machen und weniger alarmistisch zu sein. Denn: Es handele sich seit Monaten um eine kleine Gruppe, die die Demokratie nicht gefährde, so Butter. "Dafür ist die deutsche Demokratie viel zu stabil."