Wegen Anwaltskosten: Vorwürfe gegen Solingens Stadtspitze

Stand: 20.01.2025, 06:00 Uhr

In Solingen gibt es Streit um Anwaltskosten des Oberbürgermeisters. Die CDU erstattet Strafanzeige. Die Verwaltung widerspricht.

Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die aus einem Rechtsgutachten im Auftrag der Solinger CDU hervorgehen: Bei zwei städtischen Mitarbeiterinnen bestehe der Verdacht einer Untreue in besonders schwerem Fall. Und bei Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) bestehe der Verdacht für die Anstiftung zur Untreue in besonders schwerem Fall.

Anwaltskosten im Luxusschleuserverfahren als Streitthema

Streitpunkt des Gutachtens sind Anwaltskosten, die im Fall des sogenannten Luxusschleuser-Verfahrens entstanden sind. Im Sommer vergangenen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft mehrere Durchsuchungen unter anderem in Solingen durchgeführt. Oberbürgermeister Kurzbach ist seitdem einer von insgesamt 214 Beschuldigten in dem Fall.

Der Oberbürgermeister hatte sich im Anschluss rechtlichen Beistand geholt und dafür dem Vernehmen nach Rechnungen von über 200.000 Euro erhalten. Diese wollte er von der Stadt erstattet bekommen.

Die Solinger CDU hatte das Gutachten im Dezember in Auftrag gegeben. Zuvor hatte sie eigener Aussage zufolge Einblicke in den Vorgang bekommen.

"Den Sachverhalt habe ich mir als Ratsmitglied im Rahmen einer Akteneinsicht angesehen und bin relativ schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass das womöglich strafrechtlich relevantes Verhalten gewesen sein könnte", sagt CDU-Fraktionssprecher Rafael Sarlak.

Bei Abwicklung laut Gutachten mögliche Untreue

CDU Fraktionssprecher Rafael Sarlak | Bildquelle: WDR

In dem 46 Seiten langen Gutachten, dass die CDU bei einer externen Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte, werden diese Vorgänge anhand von Notizen und Akten aus dem Rathaus untersucht und Fragen hinsichtlich des Vorgehens aufgeworfen. Demnach soll Kurzbach immer wieder persönlich Druck auf Mitarbeiter ausgeübt haben.

Diese sollen schließlich trotz erheblicher rechtlicher Bedenken eine Teilauszahlung in Höhe von 126.100 Euro angewiesen haben. Die Auszahlung sei jedoch kurz vor Vollzug gestoppt worden.

Dennoch kommt die externe Anwaltskanzlei in dem Gutachten zu dem Schluss, dass dies strafbar gewesen sein könnte. Denn obwohl letztendlich kein finanzieller Schaden entstanden sei, sehen die Gutachter Anhaltspunkte für die Vorwürfe der Untreue. Die CDU hat deswegen Strafanzeige erstattet und das Gutachten auch an die Bezirksregierung geschickt.

Stadt widerspricht Darstellung

Die Solinger Stadtverwaltung widerspricht auf WDR-Anfrage den Vorwürfen: "Die Verwaltung hat korrekt und nach den dienstlichen Vorgaben geprüft und entschieden – sachlich, neutral und frei von Einflussnahme, anhand der vorliegenden Akten", sagt Stadtdirektorin Dagmar Becker. Sie hatte die Erstattung bearbeitet. Einfluss durch Kurzbach habe es nicht gegeben: "Die Ausübung von Druck durch den Oberbürgermeister kann ich nicht erkennen."

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach | Bildquelle: WDR

Auch Oberbürgermeister Kurzbach beschreibt den Ablauf auf WDR-Anfrage als normales Vorgehen: "Ich habe meinen Antrag auf Erstattung meiner Rechtsanwaltskosten zur Prüfung in der Verwaltung eingereicht, um eine unabhängige Entscheidung innerhalb der Stadtverwaltung herbeizuführen."

Nach der Prüfung durch die Verwaltung sei man zudem übereingekommen, dass "dieser Vorgang zusätzlich auch extern noch einmal geprüft werden soll". In dem Gutachten werde, so Kurzbach, "durchaus auch in verleumderischer Absicht eine Art von politischer Selbstaufklärung betrieben […]".

Einwände wegen Höhe der Anwaltskosten

Einwände hatte es im Gutachten unter anderem wegen der Höhe der Kosten gegeben. Die hatte zuvor auch das zuständige Solinger Rechtsamt beanstandet. Sie seien entstanden, weil sich gleich mehrere Anwälte in die umfassenden Ermittlungsakten von über 38.000 Seiten zum Luxusschleuserfall einarbeiten sollten, erklärte Oberbürgermeister Kurzbach bereits im Dezember in einer Ratssitzung.

Das Rechtsamt kam laut Gutachten zu dem Ergebnis, dass dieser Aufwand weder erforderlich noch angemessen sei. Rafael Sarlak von der CDU-Fraktion: "Es ist die Frage, ob das in diesem konkreten Fall auch erforderlich war und ob es nicht vielmehr darum ging, den Oberbürgermeister vor einer schlechten Presse zu bewahren."

Wegen Anwaltskosten: Vorwürfe gegen Solingens Stadtspitze WDR Studios NRW 20.01.2025 01:03 Min. Verfügbar bis 20.01.2027 WDR Online

Streit auch um Dienstanweisung

Geregelt wird die Rückerstattung im Solinger Rathaus in der "Dienstanweisung über Rechtsschutz für Beschäftigte des Konzerns Stadt Solingen". Diese wurde im September 2024 verändert und erlaubt seitdem auch Kosten, die über den gesetzlichen Gebühren für Rechtsanwälte liegen. Kurz nach der Änderung hatte Kurzbach die Erstattung seiner Kosten beantragt.

CDU-Fraktionssprecher Rafael Sarlak: "Ein Kernpunkt der Änderung war, das nach der alten Dienstanweisung nur gedeckelt die Kosten übernommen werden konnten und nach der neuen Dienstanweisung auch unbegrenzt Rechtsanwaltskosten theoretisch übernommen werden können."

Diese Änderung gehe jedoch auf einen Erlass des Landes NRW zurück und nicht auf ihn als Oberbürgermeister, so Tim Kurzbach: "Ich habe keine neue Dienstanweisung veranlasst."

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • CDU Solingen
  • Stadt Solingen
  • Zusammenfassung des Rechtsgutachtens im Auftrag der CDU-Fraktion
  • Düsseldorfer Staatsanwaltschaft

Über dieses Thema berichten wir am 20. Januar 2025 auch im WDR-Fernsehen in der Lokalzeit Bergisches Land um 19.30 Uhr.