Düsseldorf beklagt kriminelle Zuwanderer
Händler im Maghrebviertel fühlen sich ohnmächtig
Stand: 19.01.2016, 13:31 Uhr
Seit der Kölner Silvesternacht ist auch das sogenannte Maghrebviertel in Düsseldorf in den Schlagzeilen. Bei den Geschäftsleuten hier herrscht Ratlosigkeit: Nordafrikanische Kriminelle vertreiben ihnen die Kundschaft, klagen sie. Helfen würde eine Polizeiwache im Viertel.
Von Nina Magoley
Abdelkader A. ist frustriert: Oft würden sie zu 20, 30 Mann vor seinem Geschäft auf dem Gehweg stehen, seine Kunden mit dreckigen Flüchen auf Arabisch anpöbeln, Drogen zum Verkauf anbieten - junge Männer aus Marokko, Tunesien und Algerien. Das gehe seit Monaten so, beschreibt der Händler die Situation vor seiner Tür.
Kundschaft bleibt aus: Lebensmittelhändler Abdelkader A.
Mit seinem gut sortierten Lebensmittelgeschäft und der Frischfleischtheke ist Abdelkader A. eigentlich eine Institution auf der Düsseldorfer Linienstraße. Doch viele Kunden blieben mittlerweile weg, sagt der Marokkaner - aus Angst, von den randalierenden jungen Männern vor seinem Geschäft bestohlen oder bedroht zu werden. "Jeden Tag gibt es neue Beschwerden", mal fehle einem das Portemonnaie, ein anderes Mal sei es das Handy oder die EC-Karte. Die Männer hätten das sogenannte Maghrebviertel am Düsseldorfer Bahnhof zu ihrem Territorium gemacht. "Seit vier, fünf Monaten ist die Situation hier katastrophal", sagt der Händler.
Kaum ist die Polizei weg, tauchen sie wieder auf
Dabei ist es an diesem Montagnachmittag (18.01.2016) ungewöhnlich ruhig in der Straße. Die Großrazzia der Polizei am vergangenen Samstag wirkt offenbar noch nach: 40 Männer nahm die Polizei nach eigenen Angaben fest. Die Polizei, sagt Abdelkader A., sollte viel häufiger solche Kontrollen in seinem Viertel machen - "aber besser in Zivil", meint er. Denn das war das Problem in der Vergangenheit: Kaum tauche ein Polizeiauto auf, seien die Leute verschwunden. Ist die Streife wieder weg, stehen sie bald wieder da. Heute herrsche zwar Ruhe, "aber was ist morgen?"
Viele Kunden kommen nicht mehr
Verwaister Spielplatz im Düsseldorfer Maghrebviertel
"Selbst wenn die Polizei hier auf der Straße Leute verhaftet - normalerweise sind sie nach ein, zwei Tagen wieder da", klagt auch der Mann, dem das Geschäft gleich nebenan gehört. Bis unter die Decke stapeln sich bei ihm Haushaltswaren, Stoffe, Spielzeug, CDs mit arabischer Musik. Seinen Namen möchte er nicht im Internet lesen - zu oft schon sei sein Auto zerkratzt, seine Schaufensterscheibe über Nacht zerstört worden. Wenn er wutentbrannt vor die Tür geht und die Männer zurechtweist, riskiere er eine Schlägerei. Auch seine Kunden bleiben mittlerweile aus: "Familien mit Kindern, die sich die schmutzige Sprache dieser Leute anhören mussten, sind schockiert und kommen nicht mehr her." Auf dem nahegelegen Spielplatz habe man schon seit Monaten kein Kind mehr gesehen: Auch hier treffen sich die Kriminellen.
Noch deutlichere Konsequenzen spürt Abdel Sammer: Aus seinem Café in der Linienstraße, wo die kriminellen Männer anfangs sitzen wollten, konnte er sie zwar erfolgreich verbannen. Doch die kleine Stehpizzeria zwei Häuser weiter musste der Marokkaner mittlerweile schließen. "Die haben hier am hellichten Tag Autos aufgeknackt oder den Leuten Taschen gestohlen und kamen dann in die Pizzeria", erzählt er. Sammer wurde der Lage nicht Herr und der Ärger zu viel - er beschloss, den Laden vorerst zu schließen: "Lieber keinen Ruf als einen schlechten", lächelt er bitter. Dass es zu einer solchen Großrazzia wie am vergangenen Wochenende kommen würde, sei abzusehen gewesen.
Verwahrloste Jugendliche, kaputte Familien
Viele, die man hier im Viertel nach der aktuellen Lage fragt, wollen gar nicht erst sprechen: Manche aus Angst vor der Rache der Kriminellen, andere, weil sie die Medienberichte leid seien: "Es ist wichtig, dass jetzt nicht alle Nordafrikaner in einen Topf geworfen werden", sagt Abdel Sammer. Für ihn und auch viele andere Befragte steht fest: Die Randalierer seien als verwahrloste Jugendliche in nordafrikanischen Großstädten wie Casablanca, Marrakesch oder Algier groß geworden. "Kaputte Familien, oft drogenabhängig und ohne jeden Plan für ihr Leben", sagt Sammer. Ziemlich einhellig ist auch die Meinung, dass viele von ihnen über die Türkei als Flüchtlinge nach Deutschland eingereist seien und dabei angaben, sie seien Syrer. Das Problem hier im Viertel sei im vergangenen Sommer eskaliert - seitdem die große Flüchtlingswelle nach Deutschland schwappte.
Verbandsvorsitzender Youssef Mallol
Die Polizeiaktion, bei der knapp 300 Beamte stundenlang das ganze Viertel filzten, habe bei vielen Anwohnern und Geschäftsleuten zweispältige Reaktionen ausgelöst, sagt Youssef Mallol, Vorsitzender des Verbands arabischer Geschäftsleute der Ellerstraße und Umgebung. Abgesehen davon, dass die meisten Läden samstags ihren Hauptumsatz machen - und der fiel dieses Mal durch die Razzia komplett aus -, fühlten sich die Inhaber brüskiert: Als diejenigen, die besonders unter den Kriminellen leiden und regelmäßig die Polizei zur Hilfe rufen, seien sie plötzlich selber wie suspekte Personen behandelt worden - und ihre Kundschaft und Angestellten gleich mit.
"Mit der Polizei im Team arbeiten"
"Das war mehr eine Schau als alles andere", kritisiert Mallol. Regelmäßig diskutierten die Verbandsmitglieder bei ihren monatlichen Treffen, wie das eskalierende Problem mit den kriminellen Zuwanderern in den Griff zu bekommen sei. Auch der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) sei schon dabei gewesen. Viel sinnvoller als solche "geschäftsschädigenden" Großrazzien wäre es, meint Mallol, eine kleine Polizeiwache im Viertel zu installieren. "Wir wollen mit der Polizei im Team arbeiten." Ob die Großrazzia etwas bewirken konnte oder ob die Problemgruppen, wie viele hier befürchten, in ein paar Tagen wieder an ihren alten Plätzen stehen, müsse sich zeigen, sagt Mallol.
Am Montagabend musste die Düsseldorfer Polizei alle Festgenommenen wieder freilassen. Gegen mehrere Männer sei Anzeige erstattet worden, hieß es, unter anderem wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz. Fünf der Festgenommenen hatten keine Aufenthaltsgenehmigung.