Es ist ein sonniger Tag knapp anderthalb Wochen vor der Gedenkveranstaltung, an dem sich Familie Genç den Fragen der Öffentlichkeit stellen will. In einem Konferenzraum im Solinger Rathaus ist alles vorbereitet, als Kamil, Hatice und Can Genç den Raum betreten. Man merkt ihnen die Anspannung an, schließlich suchen sie zum ersten Mal die große Öffentlichkeit.
WDR: Das Gedenken in diesem Jahr ist gleich in doppelter Hinsicht besonders: Zum einen jährt sich der Anschlag bereits zum 30. Mal, zum anderen ist es auch der erste Jahrestag, an dem Familien-Mutter Mevlüde nach ihrem Tod im vergangenen Jahr nicht mehr dabei sein kann. Wie blicken Sie unter diesen Umständen auf den Jahrestag?
Hatice Genç: "Eigentlich ist das Fehlen unserer Mutter ein großer Schmerz für uns, aber man kann nichts machen. Wir leben weiter. Auch wenn wir es anders haben möchten, geht es nicht. Wir werden es nie vergessen und den Weg unserer Mutter weiterführen. Das ist es, was wir möchten. Es geht nicht anders, auch wenn wir es wollten. Das was unsere Mutter immer wollte, das wollen wir auch."
WDR: Mevlüde Genç hat sich ja wie keine andere für Versöhnung eingesetzt, wollte immer, dass Liebe größer ist als Hass. Warum ist es Ihnen ein so großes Anliegen, diese Botschaft weiter zu tragen?
Hatice Genç: "Wir möchten, dass es in Zukunft keinen Rassismus gibt. Das war bis heute immer unser Bestreben. Die Fremdenfeindlichkeit soll aufhören. Wir möchten, dass wir alle friedlich und schön zusammenleben."
WDR: Haben Sie auch schon eine konkrete Idee, wie Sie diese Botschaft weitergeben wollen?
Hatice Genç: "Das Ziel ist es, dass die Jugendlichen von dieser Sache erfahren. Sie sollen es wissen und sich gegenseitig gut behandeln. Es soll nichts Böses zwischen ihnen sein. Wir waren bisher immer für das Gute."
WDR: Deswegen unterstützen Sie in Solingen auch Jugendprojekte. Enkel Can hat sich etwa auch an einem solchen Projekt beteiligt. Can, Sie wurden nach dem Anschlag geboren. Warum ist es Ihnen dennoch wichtig, an solchen Projekten mitzuwirken?
Can Genç: "Damit man das nie vergisst; dass man das immer erinnert. Jeden Tag, jede Woche. Deswegen habe ich auch mitgemacht, damit auch Überlebende, auch Enkelkinder von meiner Oma das erinnern und von ihren Gefühlen erzählen."
WDR: Wie blicken Sie jetzt so kurz vor dem Jahrestag auf die Gedenkveranstaltung?
Can Genç: "Das ist eine sehr emotionale Woche. Für mich, aber auch für meine Schwester. Wir erleben das auch alles mit. Das ist sehr emotional."
WDR: Die Stadt Solingen wird zum Gedenken das Mahnmal in der Stadt erweitern, ein zentraler Platz wird außerdem zum "Mevlüde Genç Platz" umbenannt. Zusätzlich kommen hochrangige Politiker zur zentralen Gedenkveranstaltung. Was bedeutet Ihnen diese Anteilnahme?
Can Genç: "Es wird eine große Veranstaltung sein. Es werden aus Deutschland hochrangige Politiker kommen, der Bundespräsident. Auch aus der Türkei. Und da möchte ich mich auch sehr bedanken: der türkischen Regierung, der deutschen Regierung, dass auch so viele hochrangige Politiker kommen und mit uns unser Gedenken teilen."
WDR: Vielen Dank für das Gespräch.