Wenige Tage vor dem 30. Jahrestag des rechtsextremen Anschlages von Solingen am 29. Mai wurde bereits am Freitag an die Opfer erinnert. Im NRW-Landtag gab es eine Schweigeminute. Später am Tag wurde in der Staatskanzlei die Mevlüde-Genç-Medaille an den Verein IDA übergeben.
Sie wird jährlich rund um den Jahrestag des Brandanschlags vom Land verliehen und soll die vorbildliche Haltung von Mevlüde Genç in Erinnerung halten, die 1993 fünf Angehörige verloren hatte und sich trotzdem danach für Toleranz und Versöhnung einsetzte. Im Oktober 2022 ist Mevlüde Genç gestorben.
In diesem Jahr ging die Medaille an das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW. Es leiste einen "enorm wichtigen Beitrag bei der Prävention von Rassismus und Rechtsextremismus", sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Das IDA sei in Einrichtungen der Jugendhilfe und in Schulen aktiv und helfe Opfern rassistischer Gewalt, unterstützte aber auch Eltern von jungen Menschen, die "in rechtsextremistisches Fahrwasser" geraten seien.
Der Verein mit Sitz in Düsseldorf beschäftigt sich seit 1994 mit den Themen Rechtsextremismus, Rassismus, Migration und Diversität. Es steht dabei auch Einrichtungen der Jugendhilfe und Schulen beratend zur Seite.
Gedenken im Landtag an Anschlag
Vor der feierlichen Verleihung wurde im NRW-Landtag an die Opfer von Solingen erinnert. Wüst sprach dort von einem "der dunkelsten Tage in der Geschichte unseres Landes", Landtagspräsident André Kuper (beide CDU) von einem "feigen, rassistisch motivierten Brandanschlag", der Wunden gerissen habe. Die Verluste von damals könnten nicht rückgängig gemacht werden, "aber wir können und wir werden erinnern".
Mit Blick auf die aktuelle Zeit sagte Kuper, dass denjenigen "deutliche Grenzen" gesetzt werden müssten, "die versuchen, die Saat von Hass und Hetze in der Welt auszubringen". Der neue SPD-Oppositionsführer Jochen Ott verwies auf den noch immer alltäglichen Rassismus und forderte: "Es muss sich etwas ändern." Es brauche Respekt und Anerkennung. "Der Klang eines Nachnamens darf nicht darüber entscheiden, wer die gute Wohnung bekommt, den günstigen Kredit oder die Beförderung."
Wüste sagte, Rechtsextremismus sei die "größte Gefahr für unsere Demokratie", und stellte fest: "Es ist unser Land. Ein Land der Vielfalt, ein Land der Toleranz, ein Land des respektvollen Miteinanders. Dieses Land lassen wir uns von niemandem wegnehmen."
Fünf Tote und viele Verletzte
Am 29. Mai 1993 hatten vier Rechtsextreme das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Solingen in Brand gesetzt. Das Ehepaar verlor zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. 17 Familienmitglieder waren schwer verletzt worden. Der Brandanschlag gilt als eines der schwersten rassistischen Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik.
Angehörige der Familie waren am Freitag auch im Düsseldorfer Landtag vor Ort und verfolgten das Gedenken von der Zuschauertribüne. Mehrere Redner dankten ihnen für den Mut, nach dem unfassbaren Verbrechen in Deutschland geblieben zu sein und sich fortan für Versöhnung einzusetzen.
Fraktionen beklagen rassistische Gewalt
In einem gemeinsamen Antrag forderten die Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und FDP, den Ermittlungsdruck gegen rechtsextremistische Straftaten hoch zu halten. Die rechtsextreme Gewalt in den 1990er Jahren habe ihren Ausdruck auch in weiteren Brandanschlägen und Ausschreitungen in Hoyerswerda, Hünxe, Rostock-Lichtenhagen und Mölln gefunden.
Diese Anschläge ebenso wie die Verbrechen des rechtsterroristischen NSU und die Anschläge von München, Kassel, Halle und Hanau in den vergangenen Jahren "machen deutlich, dass rechtsextremistische, rassistische und antisemitische Gewalt bittere Realität in Deutschland sind", heißt es in dem Antrag.
Für Misstöne in der ansonsten sehr nachdenklichen und würdevollen Debatte sorgte die AfD, die Änderungen forderte. So sagte der Abgeordnete Hartmut Beucker, der Antrag wende sich nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen andere Formen von Diskriminierung, die damit nichts zu tun hätten. Auch die AfD werde diskriminiert, da sie im Landtag bei Anträgen und Besetzung von Positionen ausgegrenzt werde. Wüst kommentierte das kurz und knackig: "Thema verfehlt."
Gedenkfeier mit Steinmeier
Am Montag, dem 30. Jahrestag des Brandanschlags, wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Solingen erwartet, begleitet von den Spitzen der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Die Gedenkfeier mit anschließender Podiumsdiskussion wird im WDR-Livestream ab 14 Uhr übertragen.