Das Regime im Iran gilt als wichtiger Unterstützer von Terrorgruppen wie Hisbollah und Hamas. Dennoch machen noch immer NRW-Unternehmen gute Geschäfte mit dem Iran. Wie das Statistische Landesamt IT.NRW auf WDR-Anfrage mitteilte, wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits Waren im Wert von rund 136 Millionen Euro aus NRW in den Iran geliefert. Im Gesamtjahr 2022 waren es Exporte im Wert von 168 Millionen.
Maschinenbau liegt vorn
Besonders viele Exporte in den Iran gingen auf das Konto der chemischen Industrie (15 Millionen Euro) und der Maschinenbau-Branche (83 Millionen). Bei den Importen aus dem Iran lagen unedle Metalle (4,4 Mio Euro) vorn. 2022 waren die Exporte in den Iran aus Deutschland sogar angestiegen.
Der Warenverkehr wäre wohl noch intensiver, wenn nicht umfangreiche Beschränkungen für Lieferungen aus und in den Iran gelten würden. Unter anderem ist ein Waffenembargo gegen die Islamische Republik in Kraft.
Wie passt der Handel mit dem Iran zur Haltung der Politik, dass die Verteidigung Israels deutsche "Staatsräson" ist? Schon Monate vor dem Hamas-Terrorangriff hatte Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, bei einer Festveranstaltung zum 75. Jahrestag der Gründung Israels im NRW-Landtag von Deutschland mehr Unterstützung bei der Ächtung der "Mullahs und Ayatollahs im Iran" gefordert. Eine Forderung, die aktueller erscheint denn je.
Im November sagte Stephan Grigat, Professor für Theorien & Kritik des Antisemitismus und Leiter des Centrums für Antisemitismus- & Rassismusstudien (CARS) Aachen, dem WDR: "Was es in der aktuellen Situation aber braucht, ist ein entschiedenes Vorgehen gegen die Finanziers des Hamas-Terrors – und die sitzen im Iran. Ich würde von Ministerpräsident Wüst gerne hören, dass er sich gegen jegliches Business mit dem Holocaustleugner-Regime in Teheran ausspricht".
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte erst in der vergangenen Woche auf die Menschenrechtslage unter anderem im Iran und Irak hingewiesen. Abschiebungen in den Iran lehnt die grüne Integrationsministerin Josefine Paul ab - und richtet deshalb Forderungen an den Bund.
Und die Wirtschaftskontakte zum Iran? Es ist ein Thema, das in Politikerreden kaum vorkommt. Noch vor einigen Jahren war das ganz anders: Da reisten NRW-Politiker nach Teheran, um Geschäfte anzubahnen. Das ist vorbei. Erst im Oktober 2023 verlängerte die EU Sanktionen, weil der Iran das Atomabkommen verletzt habe.
Unternehmerverband verweist auf Politik
Die Handelsbeziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Iran hätten sich "in den vergangenen Jahren deutlich verringert und spielen in der Gesamtbilanz praktisch kaum noch eine Rolle", teilt der Verband Unternehmer NRW mit. Bei der Frage, ob Sanktionen gegen den Iran ausgeweitet werden, gelte das Primat der Politik: "Wir vertrauen darauf, dass die Bundesregierung die Lage im Nahen Osten intensiv beobachtet und bewertet. Als Wirtschaft stehen wir selbstverständlich hinter den Entscheidungen der Bundesregierung."
Warum noch immer in den Iran geliefert wird
Der Blick alleine auf die NRW-Landesstatistik vermittelt einen "verzerrenden Eindruck von der Realität", teilte ein Sprecher des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mit. Der deutsche Maschinenbau hätte früher gute Geschäftsbeziehungen mit der iranischen Wirtschaft gehabt, seit Jahren habe der Iran "keine strategische Relevanz" mehr.
Noch immer gebe es im Iran viele deutsche Maschinen und Anlagen, "die mit Ersatzteilen aus Deutschland oder Italien versorgt werden müssen". Außerdem sitze ein erheblicher Teil der deutschen Maschinenbauer in NRW, so der VDMA-Sprecher.
Freiwillig nichts mehr liefern?
"Die Unterstützung der Wirtschaft im Iran ist auch eine indirekte Unterstützung der Machthaber, die international Terror und Krieg finanzieren und im eigenen Land die Bevölkerung unterdrücken", sagt der Grünen-Wirtschaftsexperte im Landtag, Jan Matzoll. Es müsse sichergestellt werden, "dass die Sanktionen vollumfänglich greifen und nicht umgangen werden".
Aus Sicht der Landesregierung gibt der Terrorangriff der Hamas und seine Folgen Anlass, die derzeitigen Beziehungen zum Iran "zu überdenken und weitere Verschärfungen zu überprüfen", teilte ein Sprecher der Staatskanzlei mit. In erster Linie liege die Frage in der Zuständigkeit der Bundesregierung.
Unternehmen müssten sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, sagt der Wirtschaftsethiker Dominik Enste. Ob sie darüber hinaus "auf Handel verzichten, muss und sollte jedes Unternehmen unter Abwägung von Kosten und Nutzen selber entscheiden". Dies hänge von vielen Faktoren ab – auch wie wichtig ein Kunde oder Land sei und welche Konsequenzen dies habe – "für das Unternehmen, seine Stakeholder und natürlich den Frieden in der Region".