Wo NRW noch Handlungsspielraum im Haushalt hat

Stand: 05.04.2024, 12:55 Uhr

Trotz eines Rekordhaushalts 2024 hatte NRW-Finanzminister Optendrenk von "extrem engen Handlungsspielräumen" gesprochen. Aber etwas "Luft" hat der Minister durchaus noch.

Von Martin Teigeler

Im Bund streitet die Ampel seit Monaten über die Haushalts- und Finanzpolitik. In Nordrhein-Westfalen ringt Schwarz-Grün weniger laut um den richtigen Kurs. Beide Regierungsparteien betonen immer wieder, wie begrenzt die finanziellen Möglichkeiten seien - während die größte Oppositionsfraktion SPD seit Jahren die Schuldenbremse aufweichen will. Dieser Grundkonflikt dürfte auch die Beratungen über den Landeshaushalt 2025 prägen.

Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sprach schon im August bei der Einbringung des Haushalts 2024 im Landtag von "extrem engen Handlungsspielräumen". Mit einer Summe von 38 Milliarden Euro setze man einen Schwerpunkt im Haushalt bei den Bildungsausgaben.

Von den 102,1 Milliarden Euro (trotz Krise ist das ein Rekordwert, erstmals gibt das Land mehr als 100 Milliarden Euro aus) im Gesamtetat 2024 gibt das Land allein 34,5 Milliarden für Personal aus. Zum Vergleich: Für Investitionen stehen nur 10,7 Milliarden zur Verfügung.

NRW verweist auf den Bund

Optendrenk beschwert sich regelmäßig darüber, dass der Bund die finanziellen Spielräume der Länder zu sehr einschränke. Zum Beispiel hätten das Inflationsausgleichsgesetz und andere Beschlüsse der Ampel in Nordrhein-Westfalen "zu dauerhaften Haushaltsverschlechterungen im Volumen von gut vier Milliarden Euro" geführt.

Das föderale Finanzgeflecht sei "überaus komplex", erklärt Harald Schoelen, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Die Länder verfügten "über eine umfassende Aufgaben- und Ausgabenautonomie". Die Besteuerungskompetenzen lägen aber schwerpunktmäßig beim Bund.

Das Geld wird knapp - Was heißt das für die Politik? WDR 5 Westblick - aktuell 04.04.2024 04:43 Min. Verfügbar bis 04.04.2025 WDR 5

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"Spielgeld" und Spielräume

Dass auf Landesebene aber doch noch finanzieller Spielraum besteht, hatte die Landesregierung Ende 2023 selbst eingeräumt. Fast 8,5 Milliarden Euro stehen Finanzminister Optendrenk zum Beispiel an sogenannten Selbstbewirtschaftungsmitteln zur Verfügung. Das sind Gelder, die eigentlich für bestimmte Ausgaben wie Förderprogramme veranschlagt waren, aber gar nicht verwendet wurden. Die Opposition spricht von "Spielgeld aus früheren Jahren" (FDP) und einer "geheimen Spardose" (SPD).

"Aufklärung" zu den Selbstbewirtschaftungsmitteln fordert erneut Manfred Lehmann, Chef des NRW-Landesverbands der Deutschen Steuergewerkschaft. Das ist die Interessenvertretung der Beamten und Arbeitnehmer in der Steuerverwaltung. Es müsse transparent gemacht werden, wofür diese Mittel genau ausgegeben werden, sagt Lehmann.

In allen Bereichen des Haushalts seien "Spielräume" enthalten. Zudem verschaffe sich das Land NRW durch globale Minderausgaben (im Etat 2024: insgesamt 2,0 Milliarden Euro), globale Mehrausgaben (610 Millionen Euro) und einer "Allgemeinen Rücklage" (1,0 Milliarden Euro) "erhebliche zusätzliche Spielräume, da diese Haushaltspositionen keine titelscharfe Zuordnung erlauben und nicht festgelegt sind", so Lehmann.

Minderausgaben durch unbesetzte Stellen

Außerdem gebe es Minderausgaben durch nicht verausgabte Personalkosten, "die durch unbesetzte Stellen (rund 20.000 landesweit) entstehen". Vor diesem Hintergrund geht die Steuergewerkschaft in NRW davon aus, dass "die Spielräume zur politischen Gestaltung zwar gering, aber insbesondere langfristig gerechnet durchaus vorhanden sind". Es bestehe also finanzpolitischer "Handlungsspielraum in NRW zwischen fünf und acht Prozent des Haushaltsvolumens", so Lehmann.

Acht Prozent - das wären bei einem NRW-Etatvolumen von rund 102 Milliarden Euro immerhin bis zu 8,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das NRW-Finanzministerium teilte am Freitag zur Frage nach dem politischen Gestaltungsspielraum im Haushalt mit: Dazu lägen "keine belastbaren Zahlen vor". Die finanziellen Gestaltungsspielräume in NRW seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs "infolge geringerer Steuereinnahmen deutlich kleiner geworden". Das Ministerium wies zudem auf "erhebliche strukturelle Belastungen für Nordrhein-Westfalen in Folge der steuerlichen Entlastung durch Bund und Länder" hin.

Investitionsbedarf von über 150 Milliarden Euro

Eine einstellige Milliardensumme, wie von der Steuergewerkschaft geschätzt, würde kaum ausreichen, um dringend notwendige Investitionen etwa in die Verkehrsinfrastruktur aufzustocken. Laut einer im vergangenen Jahr vorgestellten Studie des DGB beläuft sich der Investitionsbedarf allein für die Bereiche Klima, Infrastruktur, Wohnen, Gesundheit und Bildung bis 2032 in NRW auf über 150 Milliarden Euro.

Die Debatte, wie der Staat seine Aufgaben finanzieren will, dürfte weitergehen.

Über dieses Thema berichtete der WDR im Hörfunk in der Sendung "Westblick" am 04.04.2024 ab 17:05 Uhr.