Waffenruhe für Ukraine: Warten auf Moskau

Aktuelle Stunde 12.03.2025 39:59 Min. Verfügbar bis 12.03.2027 WDR Von Carsten Upadek

Was eine Waffenruhe für die Ukraine, Russland und Europa bedeuten würde

Stand: 12.03.2025, 18:30 Uhr

Ukraine und USA haben Russland eine Waffenruhe vorgeschlagen. Was diese für die Kriegsparteien und Europa bedeuten würde.

Fast zwei Wochen nach dem Eklat im Weißen Haus, bei dem US-Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj androhten, jegliche Hilfe für die Ukraine einzustellen, scheint bei den Verhandlungen in Saudi-Arabien eine mögliche Lösung in greifbarer Nähe.

Die USA haben dort eine vorläufige Waffenruhe von 30 Tagen vorgeschlagen, die von der Ukraine unterstützt wird. Zudem vereinbarten die USA mit der Ukraine, dass die US-Militärhilfe wieder aufgenommen werden soll und die Vereinigten Staaten dem Land auch wieder Geheimdienst-Informationen zur Verfügung stellen wollen. Als Gegenleistung will die Ukraine ein Rohstoffabkommen mit den USA schließen.

Wie es jetzt weitergeht

Bislang ist jedoch noch unklar, wie Russland auf den Vorschlag der Waffenruhe reagiert. Bislang gibt es noch keine offizielle Rückmeldung aus dem Kreml. Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin der Vereinbarung zustimmt? Und vor allem unter welchen Bedingungen? Und was würde eine solche vorläufige Waffenruhe für den weiteren Verlauf des Kriegs bedeuten?

Wie wahrscheinlich kommt die vorgeschlagene Waffenruhe?

Das lässt sich noch nicht sagen. Bislang verhält sich Russland sehr zurückhaltend. Man werde die Vorschläge aus den US-ukrainischen Gesprächen sorgfältig prüfen, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Mittwoch. US-Außenminister Marco Rubio und Sicherheitsberater Michael Waltz, die die Verhandlungen im saudi-arabischen Dschidda führten, sollten der russischen Regierung aber weitere Details erklären. Wie US-Präsident Donald Trump am Mittwoch bekannt gab, seien Unterhändler aus den USA bereits auf dem Weg nach Russland. Über Putin sagte Trump: "Ich hoffe, er wird eine Waffenruhe eingehen."

Unbekannt ist bislang, welche Zugeständnisse die Ukraine für diese Waffenruhe an Russland zu machen bereit ist, bzw. was Russland dafür fordert. Ein weiterer Faktor ist die aktuelle Lage an der Front in der Ukraine, wo die russischen Truppen wieder auf dem Vormarsch sind. Zuletzt konnten sie im westrussischen Gebiet Kursk in die Kleinstadt Sudscha vordringen, die als wichtigste Ortschaft gilt, die die Ukrainer bei ihrem überraschenden Gegenstoß im vergangenen Jahr einnehmen konnten. Putin-Sprecher Peskow sprach in dem Zusammenhang von einer "guten Dynamik". Zudem hat Russland Bedenken, dass die Ukraine die Zeit der Waffenruhe nutzen könnte, sich wieder zu bewaffnen.

Wäre die Waffenruhe ein Erfolg für die Ukraine?

Bei dieser Frage sind sich die Experten uneins. Als "unerwartbar gut" bezeichnete der Politikwissenschaftler Prof. Thomas Jäger die Ergebnisse in einem Post auf X. Die jetzige Situation erlaube der Ukraine, viele Vorschläge zu machen, die dazu beitragen könnten, das Vertrauen zwischen Moskau und Kiew zu verbessern. Das könne die Ukraine so drehen, "dass in Washington irgendwann mal klar wird: Da mauert nicht Selenskyj, da mauert Putin", so Jäger in einem Interview auf Phoenix.

Auch Carlo Masala, Leiter der Professur für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München sieht das so. "Der Ball liegt jetzt bei den Russen", so Masala im Gespräch mit den Deutschlandfunk. "Und Russland muss sich jetzt sehr gut überlegen, ob es diesen Ball nun aufnimmt und auf das ukrainische Angebot positiv reagiert. Oder ob es das ablehnt oder mit Bedingungen verknüpft, die nicht akzeptabel sind." Dann riskiere Moskau, dass sich die amerikanische Position mit Blick auf Russland verändere.

Trotzdem seien die Verhandlungen kein großer Erfolg für die Ukraine gewesen. "Die Ukraine musste letzten Endes vor den USA zu Kreuze kriechen, um die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen zu erzielen", so Masala. Noch stehe die Zusicherung der USA an Russland, dass die Ukraine Territorien abgeben müsse, nicht Teil der Nato werde und dass man bereit sei, mit Russland über alle Fragen der europäischen Sicherheit zu reden. Zudem bezweifelt Masala, dass die USA bereit sind, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben.

Was bedeuten die Verhandlungen für Europa?

Das wird sich in den kommenden Wochen herausstellen. "Trump will diesen Krieg von der Agenda der Amerikaner haben und will dann den Ball an die Europäer abschieben", sagt Andreas Heinemann-Grüder, Senior Researcher am Bonn International Centre for Conflict Studies im Interview mit der Tagesschau. Gelingt Trump dieses Manöver, müssten die von Kiew geforderten Sicherheitsgarantien aus Ländern der EU kommen. "Selenskyj sagt, er braucht 200.000 Soldaten", so Heinemann-Grüder.

Gleichzeitig gehen Experten weiterhin davon aus, dass der russische Präsident Ambitionen hat, die weit über die Ukraine hinausgehen. "Die Nato geht immer davon aus, dass Russland uns testen wird", so der Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel von der Universität Potsdam in der Phoenix Runde. "Und testen meint einen begrenzten Angriff, wo immer der erfolgen mag, um dann zu sehen, wie wir reagieren."

Neitzel verweist in diesem Zusammenhang auf ein großes Militärmanöver, das Russland im September dieses Jahres in Weißrussland plant. Laut dem Militärhistoriker könnten die Russen dieses Manöver nutzen, um einen Angriff auf ein europäisches Land vorzubereiten.

Dieses Szenario hält auch der Sicherheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung, Christian Mölling für "plausibel". Gleichzeitig gibt er im NDR-Podcast "Streitkräfte und Strategien" zu bedenken, dass China als Verbündeter Russlands nicht begeistert wäre, wenn Moskau einen der wichtigsten Handelspartner angreifen würde. "Man darf aber die Risikobereitschaft Russlands nicht unterschätzen", so Mölling.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichtet der WDR am 12. März auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde um 18.45 Uhr.

Weitere Themen