Die Terrorgefahr durch Islamisten ist laut Verfassungsschutz derzeit so groß wie lange nicht. Zugleich tobt in Europa ein russischer Angriffskrieg mit gezielten Attacken auf die ukrainische Infrastruktur. Trotzdem konnten am Mittwoch Klima-Aktivisten offenbar sehr einfach auf das Gelände des Flughafens Köln/Bonn gelangen.
Klima-Aktivisten kleben sich auf Rollfeld fest
Nach Angaben der "Letzten Generation" durchtrennten ihre Mitglieder dafür einen Zaun. Danach klebten sie sich auf einem Rollweg fest - genau wie am Donnerstag am Flughafen Frankfurt. Eindringlinge wie sie hätten aber auch an voll betankte Flugzeuge herankommen und zahlreiche Menschen in Lebensgefahr bringen können.
Wie kann es sein, dass Klima-Aktivisten rund zwei Jahre nach den ersten Vorfällen dieser Art immer noch ohne großen Aufwand auf das Gelände von Flughäfen gelangen können? Das fragt sich Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im Gespräch mit dem WDR - und ist damit nicht der Einzige. Er sei "entsetzt" darüber, wie allseits bekannte Sicherheitslücken ungeachtet blieben.
Innenministerin plant Verordnung zu höheren Zäunen
Nach den jüngsten Klima-Blockaden will die Bundesregierung nun die Flughafen-Betreiber per Rechtsverordnung zu besseren baulichen und technischen Schutzmaßnahmen zwingen. "Die Flughäfen müssen deutlich besser gesichert werden. Das gilt vor allem für Zäune, Tore, Kameras, Sensoren und Signaltechnik", erklärt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Eine freiwillige Selbstverpflichtung sei am Widerstand zweier Großflughäfen gescheitert, hieß es aus ihrem Ministerium. Daher habe man nun die Abstimmung mit den Ländern aufgenommen, um eine entsprechende Rechtsverordnung zu schaffen.
Flughafen Köln/Bonn: Sicherheitskonzept "sehr umfangreich"
Ein Sprecher des Flughafens Köln/Bonn versicherte am Mittwoch auf WDR-Anfrage: Das Sicherheitskonzept des Airports sei "sehr umfangreich und dynamisch". Der 19 Kilometer lange Zaun werde "engmaschig" durch Streifen der Bundespolizei und der Flughafensicherheit überwacht. Einzelheiten zum Konzept könne er aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
Den Vorwurf eines Rückschlags im Sicherheitssystem durch die jüngste Aktion von Klima-Aktivisten wies der Sprecher entschieden zurück. Im Gegenteil: Aus Sicht des Flughafens habe der Vorfall gezeigt, dass das Sicherheitskonzept funktioniere. Die Meldekette zu den Sicherheitsbehörden habe funktioniert, "die Personen konnten schnell lokalisiert werden".
Dennoch verstrich offenbar genügend Zeit, dass die Aktivisten einschließlich ihrer Fahrräder den Zaun überwinden, bis zum Rollweg gelangen, dort ihre Materialien auspacken und sich festkleben konnten.
Gewerkschaft der Polizei: "Das ist kritische Infrastruktur"
Flughäfen seien "kritische Infrastruktur", sagt Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Abteilung Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, dem WDR. Sie müssten zwingend ausreichend gesichert sein. "Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Da ist Handeln angesagt."
Das Problem: An vielen Stellen sei das Gelände des Flughafens Köln/Bonn - und auch das anderer Flughäfen in NRW und Deutschland - lediglich mit einem Maschendrahtzaun gesichert, sagt Großbongardt. Das sei wie ein erhöhter Gartenzaun.
Mit Stacheldrähten darüber wolle man verhindern, dass Unbefugte hinüberklettern. "Aber was bringt das schon, wenn man mit einem Bolzenschneider aus dem Baumarkt den Zaun durchschneiden kann?", bemerkt der frühere Boeing- und Cessna-Sprecher und heutige Berater von Luftfahrt-Unternehmen.
Bundespolizist Roßkopf fordert einheitliche Sicherheitsstandards, lückenlose Kameraüberwachung, Bewegungssensoren und Flughafen-Personal, das regelmäßig Streife läuft. Auch künstliche Intelligenz solle man sich zunutze machen.
Ein naheliegendes Vorbild seien Industrieanlagen, sagt Luftfahrtexperte Großbonghardt. Da gebe es oft hohe Stahlzäune, überall Kameras und Sicherheitspersonal, das schnell eingreifen könne. Es stimme zwar, dass man nicht alles restlos absichern könne. Aber man könne es Eindringlingen schwerer machen.
Härtere Strafen durch geplante Gesetzesänderung
Erst in der vergangenen Woche hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen. Nun geht er in den Bundestag.
Die Änderungen zielen vor allem auf härtere Strafen ab. Das Eindringen auf Flughafen-Gelände könnte dann mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden - unter Umständen sogar mit bis zu fünf Jahren. "Klima-Aktivisten kann das abschrecken, Terroristen wohl nicht", sagt dazu Großbongardt.
Über schärfere und einheitlichere Sicherheitsstandards wird immer noch diskutiert. Bundespolizist Roßkopf hofft, dass auch sie bald kommen. Das werde dann vor allem für kleinere Flughäfen eine große finanzielle Herausforderung, sagt er. Aber es sei nötig, gerade in Zeiten einer angespannten Sicherheitslage durch Terrorgefahr und Ukraine-Krieg.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter am Flughafen Köln/Bonn
- WDR-Interview mit Flughafensprecher
- WDR-Interview mit Luftfahrtexperte Heinrich Großbonghardt
- WDR-Interview mit Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Abteilung Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei
- Nachrichtenagentur dpa
- Informationen des Bundesinnenministeriums zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes
Über dieses Thema berichten wir am 24.07.2024 auch in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.