Legionellen-Welle: Interview zur Situation in Warstein
"Die Krise gemeinsam meistern"
Stand: 13.09.2013, 08:36 Uhr
Die Legionellen-Welle hält die Stadt Warstein weiter in Atem; die Reisewarnung gilt weiterhin. Reinhold Großelohmann, Warsteiner Lokalchef des "Soester Anzeigers", über die Arbeit der Behörden und die Stimmung in der Stadt.
WDR 5: Die Kreisbehörde in Soest rät weiter von vermeidbaren Fahrten nach Warstein ab. Haben die Bürger dort noch Verständnis für die Vorsicht der Behörden?
Reinhold Großelohmann: Das ist eine schwierige Frage, insbesondere vor dem Hintergrund der Situation, die sich täglich ändert. Ich glaube persönlich, dass natürlich hin und wieder Unmut herrscht, weil die Leute das Gefühl haben, nicht gut informiert zu sein. Angesichts der vielen neuen Informationen ist die Verunsicherung sehr groß. Ich glaube aber, es gibt auch Verständnis dafür, dass es dem Krisenstab und den Behörden oft nicht anders geht.
WDR 5: Wie kommentiert Ihr Blatt das Vorgehen der Behörden?
Großelohmann: Ähnlich, wie ich das gerade beschrieben habe: Wir können auch keine klare Linie entdecken. Wir haben engen Kontakt zu den Behörden und sehen natürlich, dass es sehr schwierig ist, die Situation fix und eindeutig zu bewerten. Vor diesem Hintergrund muss man auch Verständnis dafür haben, dass die Entscheidungen nicht immer klar und durchsichtig sind. Eine Kollegin schrieb, viele Bürger hätten das Gefühl, dass man ihnen etwas verheimlicht. Ich habe manchmal das Gefühl, der Krisenstab weiß oft auch nicht mehr als wir selbst.
WDR 5: Nun gab es gestern wieder eine neue Wendung, als Legionellen in großer Zahl auch in den Abwasser-Becken der Warsteiner-Brauerei gefunden wurden. Können die Behörden schon sagen, ob die Brauerei Opfer oder Verursacher ist?
Großelohmann: Das ist ja ein Zitat des Staatssekretärs im Gesundheitsministerium und zu diesem Zeitpunkt war das eine sehr treffende Aussage. Genauso muss man das im Moment auch bewerten: Die Ursachenforschung wird durch verschiedene Dinge erschwert. Sie müssen zum Beispiel berücksichtigen, dass es bislang für Kläranlagen - und das hat mich persönlich sehr erstaunt - keinerlei Vergleichszahlen gibt, wie viele Legionellen üblicherweise in diesen Becken vorhanden sind. Man denkt heute, man braucht bei Google nur zwei Begriffe eingeben und bekommt die ganze Literatur präsentiert. Aber man sucht vergeblich nach Vergleichszahlen. Wir bekommen erst in den nächsten Tagen Zahlen, wie hoch die Legionellen-Belastung in normalen Kläranlagen ist.
WDR 5: Die Brauerei bemüht sich jetzt natürlich verzweifelt, klarzumachen, dass die Verunreinigung mit dem Prozess des Bierbrauens nicht das Geringste zu tun hat. Ist das aus Ihrer Sicht glaubwürdig?
Großelohmann: Das ist sehr glaubwürdig. Jeder, der den Brauprozess im Ansatz kennt, weiß, dass da Temperaturen von über 100 Grad erreicht werden, und Legionellen sind ab 60 Grad abgetötet. Die Warsteiner-Brauerei ist, was Hygiene angeht, ein Vorzeige-Unternehmen. Der Befund liegt auch seit gestern vor: Da wurde ein Legionellen-Wert von null gemessen. Die Nachklärbecken der Brauerei befinden sich entfernt auf dem Gelände. Es muss sogar eine gewisse Schmutzfracht in das Wasser eingeleitet werden, das in die kommunalen Klärbecken geht, denn bekanntlich müssen die Bakterien in der Kläranlage durch den Schmutz gebunden werden. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Brauerei als Opfer. Sie hat das Pech, dass die Worte "Legionellen" und "Bier" nicht gut zusammenpassen, und dass das in der Öffentlichkeit natürlich Ängste hervorruft. Es ist das große Marketing-Problem der Brauerei, jetzt deutlich zu machen, dass das Bier von hoher Qualität ist.
WDR 5: Und das ist ja nicht irgendeine Klitsche, sondern eine der größten Privatbrauereien Deutschlands, ein wichtiger Arbeitgeber im Kreis Soest und anderswo - und auch ein großer Imageträger, oder?
Großelohmann: Der Name des Produkts ist der Name der Stadt. Das hatte viele Jahrzehnte lang Vorteile für die Stadt wie auch die Brauerei, man hat voneinander gelebt. Und jetzt ist man in einer Gemeinschaft, in der man versuchen muss, gegen den Untergang anzugehen. Das ist eine sehr schwierige Situation. Gestern haben wir registriert, dass sich plötzlich eine riesengroße Solidarität in der Stadt entwickelt hat. Die Menschen sagen: "Das ist für uns alle bedrohlich, denn wenn unsere Brauerei untergeht, geht auch unsere Stadt unter. Und das wollen wir nicht und stehen hinter unserer Brauerei." Plötzlich verstummten gestern auch viele kritische Stimmen, viele Nachfragen. Wir haben gesehen, dass auf Facebook viele Warsteiner ihr Profilbild geändert haben und dort jetzt das Logo der Brauerei zu sehen ist. Solche Dinge machen Mut in dieser schwierigen Situation. Man sagt: "Jetzt halten wir zusammen und versuchen, der deutschen und vielleicht sogar der internationalen Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass wir die Krise hier gemeinsam meistern." Dass es jetzt eine Woche lang keine Neuerkrankungen gab, zeigt ja, dass man die latente Gefahr im Griff hat. Man muss hier auch das Positive herausstellen.