Auswirkungen des Rundfunkänderungsstaatsvertrags

Aufs Wesentliche konzentrieren

Stand: 22.05.2009, 06:00 Uhr

Viele Seiten wurden aus dem WDR-Internet gelöscht, andere überarbeitet, nichts darf einfach unbegrenzt online bleiben: Das sind einige der Konsequenzen aus dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der seit dem 1. Juni 2009 gilt.

Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzt ARD und ZDF im Netz engere Grenzen als bisher - zeitlich wie inhaltlich. So enthält beispielsweise die sogenannte Negativliste - als Ergänzung zum neuen Rundfunkstaatsvertrag - eine Reihe konkreter Verbote für die Internetaktivitäten des WDR. Ausdrücklich tabu sind demnach z.B. Spiele ohne Sendungsbezug, Berechnungsprogramme, Partnerschaftsbörsen, Ratgeberportale sowie Anzeigen und Branchenverzeichnisse. Betroffen sind u.a.: der 1LIVE Liebesalarm, die Urteilsdatenbank des ARD Ratgebers Recht, das virtuelle Tierheim des WDR Fernsehens sowie die virtuelle Zimmer frei-WG. Auch der Glückwunsch-Service des Videotextes wird wegen der neuen Rechtslage am 31.05. eingestellt. Denn auch der Videotext ist - wie die Webchannel - ein "Telemedium" und damit von der Gesetzesänderung betroffen. Bereits offline sind der Gehaltsrechner aus der Service-Rubrik von WDR.de und zahlreiche Link-Übersichten auf den Websites der Servicezeiten.

Viele Inhalte nur noch zeitbegrenzt im Netz

"Wir bedauern sehr, dass wir auf Angebote verzichten müssen, die bei unserem Publikum teilweise äußerst beliebt waren. Das gilt insbesondere für den '1LIVE Liebesalarm'. Er wird aber als Radiosendung zu Fragen von Partnerschaft und Sexualität erhalten bleiben. Und "1LIVE" wird ab dem 1. Juni eine neue Internet-Community im Netz aufbauen, an deren Entwicklung die Hörer und User sich beteiligen können", sagt WDR Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz.

Eine weitere Folge des neuen Gesetzes: Viele Inhalte dürfen künftig nur noch für eine begrenzte Zeit im Netz bleiben, obwohl sie von den Nutzern bereits über die Gebühren finanziert wurden und unbefristet eingestellt werden könnten. "Dabei hat sich das Mediennutzungsverhalten der Gesellschaft gerade in diesem Punkt in den vergangenen Jahren wesentlich verändert", erklärt Stefan Moll, Leiter des Programmbereichs Internet. "Viele Nutzer, insbesondere die jüngere Zielgruppe, erwarten, Videos, Audios und Online-Beiträge abrufen zu können, wann immer sie möchten. Viele Inhalte finden erst über einen längeren Zeitraum ihr Publikum, darunter gerade besonders viele anspruchsvolle Beiträge."

Umfassende Information der betroffenen Redaktionen

Der Umsetzung der neuen Regelungen ging ein intensiver Prozess voraus: Er beinhaltete die genaue Prüfung, sozusagen einen Scan des gesamten WDR-Internetangebots auf der einen Seite und die Information und Sensibilisierung der betroffenen Redaktionen auf der anderen Seite.

"Zuletzt stand vor allem die Umsetzung der Negativliste im Mittelpunkt, da hier mit dem 1. Juni eine klare zeitliche Frist vorgegeben war", so Stefan Moll. "Aber schon in den kommenden Wochen stehen weitere Punkte an, etwa die künftige Umsetzung des Verweildauerkonzepts." Alle WDR-Online-Inhalte haben jetzt eine "Verweildauer", dürfen also nur noch für eine bestimmte, publizistisch begründete Frist im Netz bleiben. "Dies hat nicht nur inhaltliche Folgen. Das Verweildauerkonzept muss auch technisch vorbereitet werden. Redaktionen müssen ihre Seiten genau im Blick haben und mit Sinn und Sachverstand für die notwendigen Löschungen sorgen." Nur für Archive, damit meint der Rundfunkstaatsvertrag zeit- und kulturgeschichtliche Inhalte, erlaubt das Gesetz eine unbefristete Einstellung ins Netz. Inhalte aus dem Bereich Bildung sollen fünf Jahre im Netz bleiben.

Intensives Prüfverfahren durch den Rundfunkrat

Die Details sind in einem sogenannten Verweildauerkonzept festgelegt. Es ist Teil der Telemedienkonzepte, die der WDR in diesen Tagen dem Rundfunkrat vorlegt. Auch dies ist eine Folge des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags: Das Gremium unterzieht den Telemedien-Bestand - dazu gehören neben den Internetseiten auch der Videotext und die Webchannel des Radios - einem intensiven Prüfverfahren, dem so genannten Dreistufentest. In den Konzepten ist dargelegt, dass die Telemedien-Angebote des WDR dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen, welchen Beitrag sie zum publizistischen Wettbewerb leisten und wie hoch die Kosten sind. Das gesamte Verfahren wird bis Sommer 2010 dauern.

Das WDR Internetangebot wurde in den letzten Monaten im Hinblick auf die neuen Anforderungen eingehend geprüft. "Für uns war dieser langwierige und mühsame Prozess auch die Chance, unsere Seiten einer eingehenden Qualitätskontrolle zu unterziehen", so Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz. Dabei habe sich gezeigt, dass es manchmal auch besser ist, etwas zu löschen. "Deshalb haben wir in den vergangenen Monaten bereits tausende von Seiten aus dem Netz genommen." Aber: "Wir haben jedoch vor allem feststellen können, dass das Internet-Angebot, mit dem wir in den Dreistufentest gehen, qualitativ hochwertig ist. Eben typisches WDR-Programm", so Schmitz.

Zum Verfahren des Dreistufentests

Der WDR hat dem Rundfunkrat insgesamt fünf Telemedienkonzepte zur Genehmigung vorgelegt: WDR-Online, WDR-Text, WDR-Webchannel sowie die Gemeinschaftsangebote Sportschau.de und Einsfestival.de. Der Rundfunkrat veröffentlicht die Konzepte Anfang Juni im Internet und fordert Dritte zur Abgabe von Stellungnahmen auf. Er beauftragt einen externen Gutachter, der die marktlichen Auswirkungen des Angebots bewertet, und bei Bedarf auch weitere Gutachter.

Über die Gemeinschaftsangebote (vom WDR sind das Sportschau.de und Einsfestival.de) beraten auch die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) und der Programmbeirat Erstes Deutsches Fernsehen sowie sämtliche Rundfunkräte aller übrigen Landesrundfunkanstalten. Die GVK koordiniert die Beratungen in den Rundfunkräten der Landesrundfunkanstalten. Sind alle diese Stellungnahmen bei ihr eingegangen, gibt die GVK am Ende eine gebündelte Beschlussempfehlung gegenüber dem federführenden Rundfunkrat ab. Nach Abschluss des Verfahrens findet eine Prüfung durch die Rechtsaufsicht statt. Diese liegt bei den Ländern. Die Rechtsaufsicht prüft die Einhaltung der Verfahrensregeln und staatsvertraglichen Vorgaben, nimmt jedoch keine eigene inhaltliche Beurteilung vor.