Nach fünf Jahren als deutsches Staatsoberhaupt war der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau Ende Juni 2004 aus dem Amt geschieden. Für den 73-Jährigen war das gleichzeitig der Rückzug aus der aktiven Politik.
Johannes Rau wird am 16. Januar 1931 in Wuppertal-Barmen als Sohn eines Predigers geboren. Während der Schulzeit engagiert er sich in Bibelkreisen und der Bekennenden Kirche, die Widerstand gegen die Nazis leistet. Von der Bekennenden Kirche übernimmt er auch sein Lebensmotto: "Ich halte stand, weil ich gehalten werde". Das Gymnasium verlässt Rau ohne Abitur. 1949 beginnt er eine Lehre als Verlagsbuchhändler und arbeitet als Journalist. 1954 wird er bei einem christlichen Verlag Geschäftsführer und schließlich Direktor.
Politischer Mentor ist Gustav Heinemann
1952 wird Johannes Rau wegen seines Engagements für die deutsche Einheit Mitglied der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) von Gustav Heinemann, dem späteren Bundespräsidenten und Großvater seiner Ehefrau Christina. Als die GVP fünf Jahre später aufgelöst wird, tritt er mit seinem politischen Mentor Heinemann in die SPD ein. Bereits ein Jahr später wird er Vorsitzender der Jungsozialisten in Wuppertal. Weitere Parteiämter folgen: 1959 wird er in den Vorstand des SPD-Unterbezirks Wuppertal berufen, 1962 beginnt seine sechsjährige Amtszeit als stellvertretender Vorsitzender dieses Unterbezirks. In seiner Heimatstadt Wuppertal wird Rau Stadtverordneter, Vorsitzender der SPD-Fraktion und Oberbürgermeister.
20 Jahre lang an der Spitze von NRW
In den NRW-Landtag wird Rau erstmals 1958 gewählt. Neun Jahre später übernimmt er den Vorsitz der SPD-Fraktion und wird 1970 Wissenschafts- und Forschungsminister im Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Heinz Kühn. In dieser Funktion initiierte er die Gründung der Fernuniversität Hagen. 1977 wird Rau NRW-SPD-Landesvorsitzender, bereits ein Jahr später wählt ihn der Landtag zum Regierungschef. Bis 1998 geht die SPD unter seiner Führung in NRW jeweils als stärkste Partei aus den Landtagswahlen hervor. Dann - nach insgesamt 20 Jahren an der Spitze des Bundeslandes - tritt Rau als "Landesvater" und Vorsitzender der NRW-SPD zurück.
Niederlage als Kanzlerkandidat
Auch in der Bundespolitik ist Johannes Rau ein bestimmender Faktor: Ab 1968 gehört er dem Parteivorstand der Bundes-SPD an, ab 1978 dem Parteipräsidium. 1982 wird er Nachfolger von Helmut Schmidt als stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SPD. Fünf Jahre später tritt er als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl an. Doch er scheitert gegen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). Rau erklärt daraufhin, er stehe nicht als Nachfolger von Willy Brandt als SPD-Parteivorsitzender zur Verfügung.
1994 sieht es zunächst so aus, als würde Rau ein weiteres Mal scheitern: Als SPD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten unterliegt er dem damaligen Unions-Kandidaten Roman Herzog. Doch genau fünf Jahre später, am 23. Mai 1999, setzt sich Rau durch und wird zum achten Bundespräsidenten Deutschlands gewählt. Er will als "Bürgerpräsident" mit Nachdruck "Menschen zusammenführen". In seiner letzten Berliner Rede am 12. Mai 2004 warnt Rau die Politik vor einer tiefen Vertrauenskrise in der Bevölkerung.
Angeschlagene Gesundheit
Um den Gesundheitszustand von Johannes Rau hatte es immer wieder Spekulationen gegeben. 1992 wurde ihm wegen eines bösartigen Tumors die linke Niere entfernt. Im Juli 2000 zwangen eine lang aufgeschobene Operation an der Bauchschlagader und der sich anschließende Genesungsprozess Rau zum Pausieren. Im August 2004 wurde ihm im Herzzentrum in Bad Oeynhausen eine neue Herzklappe eingesetzt. Zwei Monate später wurde Rau dann in Berlin wegen eines Blutgerinnsels im Bauchraum operiert. Von beiden Eingriffen konnte er sich nicht mehr richtig erholen.
Rau hinterlässt seine Frau Christina, zwei Töchter und einen Sohn. Seine letzte Rede als Parlamentarier in Düsseldorf beendete Johannes Rau im Mai 1998 mit dem Satz: "Ich nehme Abschied, aber ein Stück von mir bleibt zurück."