Es geht um jede Menge Kohle in Datteln. 9.000 Tonnen Steinkohle sollen vom Kraftwerk "Datteln 4" pro Tag verbrannt werden. Zehn Kohlenschiffe sollen täglich vor dem Kraftwerk festmachen und ihre Ladung löschen. Doch seit September 2009 ist das Milliardeninvestment des Stromkonzerns Eon aus dem Tritt geraten. Nach einer Privatklage hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) einen Baustopp verhängt. 90 Mängel hatten die Verwaltungsrichter an dem Bauplan festgestellt. Vor allem unterschreite der Neubau die geltenden Abstände zur Wohnbebauung massiv. Am Dienstag wurde das OVG-Urteil durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig.
Mehrheit im Stadtrat für neuen Bebauungsplan
Trotz Urteil arbeiten weiterhin 1.600 Mitarbeiter auf Teilen der Großbaustelle, mit einer Genehmigung der Bezirksregierung Münster. Und auch die Stadtoberen arbeiten weiter daran, dass das Kraftwerksprojekt nicht zur Industrieruine wird. Mit deutlicher Mehrheit stimmte am Mittwochabend der Rat der Stadt Datteln für die Einleitung von vorbereitenden Maßnahmen, mit denen die Erstellung eines neuen Bebauungsplanes möglich gemacht werden soll. Dafür stimmten nach Angaben der Stadt 23 Ratsmitglieder, dagegen 16.
Für Dattelns Stadtsprecher Dirk Lehmanski ist dieses Verfahren nicht ungewöhnlich. "Es ist gut, dass wir wissen, wo wir dran sind", erklärte er. Auch wenn der Baustopp jetzt rechtskräftig sei, hätten die Gerichte nicht gesagt, das Vorhaben sei prinzipiell nicht umsetzbar. In dem neuen Planverfahren müssten die Vorgaben und Erlasse sorgfältiger beachtet werden und gegebenfalls müsse man neue Gutachten einholen. Mit dem am Mittwoch gefassten Beschluss habe sich der Rat aber noch nicht endgültig für die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes entschieden, führte Lehmanski aus. Dieser sogenannte Aufstellungsbeschluss könnte im April getroffen werden.
Neuer Plan, neues Glück
Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte bereits im Februar ihren Landesentwicklungsplan zum Kraftwerksbau geändert, um das umstrittene Kaftwerk doch noch möglich machen zu können. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) begrüßte nun auch den Beschluss der Stadt Datteln. Das sei ein wichtiges Signal für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen, sagte sie nach Angaben eines Sprechers in Düsseldorf. "Das ist auch ein wichtiges Signal für die Verlässlichkeit von Politik und Verwaltung mit Blick auf Unternehmen, die in diesem Land investieren wollen. Jetzt muss es darum gehen, eine solide administrative Grundlage für den Kraftwerksbau in Datteln - aber nicht nur dort - zu schaffen."
Urteilsbegründung abwarten
Vergeblich hatten Anwohner wie Reiner Köster vor der Ratssitzung in Datteln auf eine Vertagung der umstrittenden Abstimmung gehofft. Als Sprecher einer Anwohnerinitiative versteht Köster die Eile nicht. "Ich finde, der Tagesordnungspunkt sollte verschoben werden", forderte der pensionierte Polizist vor der Sitzung. Bislang liege nur der Tenor der höchstrichterlichen Entscheidung aus Leipzig vor. Er plädierte dafür, auf die umfassende Urteilsbegründung zu warten: "Darin finden sich sicherlich auch wichtige Hinweise für das weitere Vorgehen."
Kraftwerk im Vorgarten
Eigentlich hat Köster nichts gegen Großindustrie. "Wir sind im Ruhrgebiet aufgewachsen", sagt Köster, er sei auch für die Steinkohle. Doch das Kraftwerk rücke auf bis zu 400 Meter an die Siedlungen heran, erlaubt sind 1.500 Meter. Mit Baubeginn sei zwar klar gewesen, dass sich die Bauherren nicht an die Vorgaben hielten. Aber erst als eine Privatklage gegen das Kraftwerk erfolgreich war, kippte die Stimmung unter den Anwohnern. "Sollte der neue Beubauungsplan kommen, wird das für uns teuer", sagt Köster. Seine Anwohnerinitiative, die "IG Meistersiedlung", werde alle rechtlichen Möglichkeiten gegen das Planverfahren ausschöpfen. Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes bis zu 22 Monate dauern wird.
4.000 für "Datteln 4"
Die allgemeine Stimmung in Datteln, glaubt Stadtsprecher Lehmanski, sei eher pro Kraftwerk. Eine Unterschriftenaktion habe zuletzt knapp 4.000 Unterstützer für "Datteln 4" gebracht. Der parteilose Bürgermeister Wolfgang Werner sei viel unterwegs, kenne die Meinung der Leute: "Die Stimmung für das Kraftwerk ist gut". Sollte der Bau nicht kommen, sei das ein ganz schlechtes Signal für die Stadt. Datteln, so Lehmanski, plane am Stadtrand gerade ein neues Industriegebiet, den "Newpark" - ein Zentrum für Umwelttechnik.