Die Leipziger Richter wiesen Beschwerden gegen die Nichtzulassung einer Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zurück. Damit haben die Stadt Datteln und Eon Kraftwerke GmbH eine weitere juristische Niederlage hinnehmen müssen. Mit dem jetzt endgültig bestätigten Urteil hatte das OVG bereits im September 2009 den Bebauungsplan für das Kraftwerksprojekt aufgehoben. Durch das jetzt rechtsgültige Urteil ist das im Rohbau fertige Projekt für Europas größtes Kohlekraftwerk gefährdet.
Die Bezirksregierung Münster ordnete umgehend für weitere Bereiche der Baustelle einen Baustopp an. In Teilen mussten die Arbeiten bereits seit dem Urteil des OVG im September ruhen. Welche Arbeiten in Datteln nun überhaupt noch fortgesetzt werden dürfen, soll nach einem Gespräch zwischen Bezirks- und Landesregierung entscheiden werden.
Eon hofft, dass die Politik es richtet
Sollte die Genehmigung für das Kraftwerk aufgehoben werden, müsste Eon die Anlage zurückbauen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Ein Eon-Sprecher sagte, das Unternehmen setze sich trotz der juristischen Entscheidung weiter dafür ein, die planungsrechtlichen Grundlagen für einen genehmigungsfähigen Bau des Kraftwerks zu schaffen. Dazu gehöre vor allem, dass ein veränderter Bebauungsplans beschlossen werde.
Ob das Projekt jedoch durch politische Beschlüsse noch gerettet werden kann, ist fraglich, denn die Liste der notwendigen Änderungen ist lang. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie das Problem des nicht genügenden Sicherheitsabstandes zur Wohnbebauung aus dem Weg geschafft werden kann. Auch wurden Naturschutzbelange aus Sicht der Richter nur mangelhaft geprüft.
Wirtschaftsministerium gibt sich gelassen
Als Reaktion auf das OVG-Urteil hatte die Landesregierung bereits im vergangenen Jahr begonnen, Änderungen der juristisch beanstandeten Gesetze auf den Weg zu bringen. Eine dieser Änderungen hat bereits das Parlament in Düsseldorf passiert: Der dem Kraftwerks-Neubau im Wege stehende sogenannte Klimaschutz-Paragraf wurde mit der Mehrheit von CDU und FDP aus dem Landesentwicklungsgesetz gestrichen.
Das Wirtschaftsministerium teilte in einer ersten Reaktion am Dienstag mit, der Beschluss der Leipziger Richter komme nicht unerwartet. Beanstandete planungsrechtliche Grundlagen seien jedoch überarbeitet. Mit den neuen Regelungen sei auch bereits die Grundlage für einen neuen Bebauungsplan geschaffen worden. Darüber will noch diese Woche der Rat der Stadt Datteln entscheiden.
Kraftwerksgegner: Landesregierung muss Urteil respektieren
Der BUND NRW, die Deutsche Umwelthilfe und die Grünen-Landtagsfraktion unterstrichen am Dienstag ihre Forderung nach einem kompletten Baustopp. Die Bestätigung des OVG-Urteils sei eine "herbe Schlappe" für die Landesregierung, meinte der BUND. Die Deutsche Umwelthilfe mahnte die Landesregierung, das Urteil aus Münster endlich zu respektieren und Versuche, "Recht und Gesetz nachträglich an die Interessen des Eon-Konzerns anzupassen, sofort einzustellen." Für die SPD ist die Entscheidung aus Leipzig eine weitere "schallende Ohrfeige für die Regierung Rüttgers". "Grobe handwerkliche Fehler, politische Fehlentscheidungen und Nichtstun im politischen Vollzug haben dem Industriestandort NRW schweren Schaden zugefügt", meinte der stellvertretende Fraktionschef Norbert Römer.
DGB will Fortführung des Kraftwerkbaus
NRW-DGB-Chef Guntram Schneider appellierte an die Verantwortlichen in Datteln, "eine Entscheidung zu treffen, die die Fortführung des Kraftwerksbaus ermöglicht". "Wir möchten, dass dieses Kraftwerk an diesem Standort in Betrieb genommen werden kann". Auch die FDP-Landtagsfraktion sprach sich für den Weiterbau aus. "Er ist Teil des Kraftwerkserneuerungsprogramms, das die FDP-Landtagsfraktion uneingeschränkt unterstützt", erklärte der energiepolitische Sprecher Dietmar Brockes.
Laut eines Eon-Sprechers arbeiten trotz des teilweisen Baustopps derzeit noch 1.600 Menschen auf der Baustelle in Datteln. Der Innenausbau werde derzeit fortgeführt, von dem Baustopp betroffen seien dagegen unter anderem ein Ammoniaklager, eine Netzanbindung und ein Kohlelager. Nach seiner Fertigstellung würde das Kraftwerk mit einer Leistung von rund 1.050 Megawatt eines der größten Steinkohlekraftwerke Europas sein. Die Gesamtinvestition beträgt rund 1,2 Milliarden Euro. Die ursprünglich geplante Inbetriebnahme war für 2011 geplant.