Einweihung des Sendesaals im Funkhaus Dagobertstraße am 28. Februar 1947, ganz rechts: Hugh Carleton Greene.
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Im Abschlussdokument der Potsdamer Konferenz war über Rundfunk und Presse nichts verlautbart worden. Einer eigenständigen Politik der jeweiligen Militärregierungen stand deshalb schon bald nichts mehr im Wege. In der Praxis bedeutete dies für die britische Militärregierung, den Wiederbeginn eines Sendebetriebes in kürzester Zeit zu ermöglichen. Während bereits wenige Stunden nach Besetzung des Hamburger Funkhauses am 4. Mai 1945 wieder von dort gesendet wurde, erwies sich die Situation in dem noch bis zum 21. Juni 1945 von amerikanischen Truppen besetzten Köln als schwieriger.
Sowohl das Funkhaus in der Dagobertstraße als auch der Sender in Langenberg waren stark beschädigt. Erst Ende September 1945 war es möglich, aus dem behelfsmäßig hergerichteten Funkhaus wieder zu senden. Weil von nun an in der britischen Zone nicht mehr allein aus Hamburg gesendet werden sollte, meldete sich das Programm ab dem 26. September 1945 als Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR).
Zunächst wurde die Mehrzahl der Sendungen von der BBC aus London oder aus Hamburg übernommen. Die Funkhäuser in Köln und Hamburg arbeiteten weitgehend nebeneinander her unter der Aufsicht ihrer britischen Kontrolloffiziere. Deutsche Mitarbeiter und bald auch Mitarbeiterinnen waren teils fest angestellt, teils freiberuflich tätig. Die britischen Kontrolloffiziere waren offiziell für die Vorzensur zuständig, ließen jedoch den deutschen Mitwirkenden mit der Zeit immer größere Freiräume.
Dem produktiven Chaos auf der Programmseite entsprach eine nicht minder unorganisierte, weitgehend dezentrale Verwaltung der Betriebsmittel, insbesondere der Finanzen. Ungeklärt war vor allem das Verhältnis zur Post, die zwar die Rundfunkgebühren einkassierte, sich jedoch weigerte, einen nach Auffassung der Programmverantwortlichen angemessenen Anteil davon weiterzugeben. Aber auch die interne Mittelverwendung blieb undurchsichtig, was die britischen Kontrolloffiziere oftmals überforderte.
Aus dieser Situation erklärt sich ein Brief, den General Sir Alexander Bishop am 11. Juli 1946 an den Generaldirektor der BBC, Sir William Haley, schrieb, in dem er ihn um Unterstützung nach einer Persönlichkeit bat, die geeignet sein würde, die Leitung des NWDR zu übernehmen. Es hatte sich nämlich nach kurzer Zeit herausgestellt dass der aus einer öffentlichen Ausschreibung hervorgegangene Controller des NWDR, Rex Palmer, seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Haley entsprach dieser Bitte durch die Nominierung von Hugh Carleton Greene, der sich nicht nur durch eine beachtliche BBC-Karriere, sondern auch als Berliner Korrespondent britischer Tageszeitungen in der Vorkriegszeit für die neue Aufgabe empfahl. Greene begann seine Arbeit als Chief Controller des NWDR am 1. Oktober 1946 und verabschiedete sich als erster NWDR-Generaldirektor am 15. Oktober 1948.
Die "Verfassung" des NWDR und seine Gremien
Greene gelang es in seiner zweijährigen Tätigkeit für den NWDR, seine in der BBC gewachsenen Überzeugungen von der Unabhängigkeit der Rundfunkarbeit nicht nur seinen britischen Vorgesetzten in der Kontrollkommission nahe zu bringen, sondern auch gegenüber deutschen Politikern mit Nachdruck zu vertreten. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass manche NWDR-Angehörige sich im Bewusstsein dieser Unabhängigkeit verleiten ließen, sich für unfehlbar zu halten und die von der Leitung des Hauses gezeigte Liberalität als Freibrief für einseitige Stimmungsmache zu missbrauchen.
Schwierig erwies sich die Aufgabe, die pragmatischen Verhaltens- und Verfahrensgrundsätze der Rundfunkkontrolle während der ersten Nachkriegsjahre in die Schriftform einer Verordnung der Militärregierung zu übertragen, die als Rechtsgrundlage des NWDR gelten würde. Im 1946 von der Militärregierung berufenen Zonenbeirat waren jene Kräfte nicht vertreten, die nach Greenes Ansicht in Fragen der Rundfunkaufsicht eine besondere Kompetenz und Legitimation besaßen. Andererseits machten die politischen Parteien Ansprüche auf Einfluss und Personalbesetzung geltend. Am 1. Januar 1948 trat ein Kompromiss als Verordnung 118 der britischen Militärregierung in Kraft. Unter den 16 Mitgliedern des Hauptausschusses fanden sich die Ministerpräsidenten der drei Länder und der Erste Bürgermeister von Hamburg, außerdem ein Gerichtspräsident, vier leitende Vertreter des Schulwesens, zwei Kirchenmänner, zwei Gewerkschaftsvorsitzende, ein Theaterintendant, ein Musikhochschulrektor und ein Handelskammerpräsident.
Der NWDR Köln - nur eine Nebenstelle von Hamburg?
Nicht erst seit der Gründung des NWDR war die Zusammenarbeit zwischen den Funkhäusern in Köln und Hamburg überschattet von Zwistigkeiten. Tief eingewurzelt war sowohl im Kölner Funkhaus als auch bei der Düsseldorfer Landesregierung das Gefühl der Zurücksetzung des bevölkerungsreichsten Landes gegenüber den kleineren norddeutschen Ländern. Hinzu kam die Entscheidung der Militärregierung, aus Norden-Osterloog über die leistungsstarke ehemals Langenberger Mittelwelle das deutschsprachige Programm der BBC zu senden, sodass für Köln nur die Möglichkeit von Zulieferungen für das in Hamburg produzierte NWDR-Programm blieb.
Die zwischen dem 25. Juli und 15. September 1948 auf der Wellenkonferenz in Kopenhagen beschlossene Wellendemontage beließ Deutschland so gut wie keine leistungsfähigen Mittel- und Langwellen mehr, was bedeutete, dass die deutschen Rundfunkanstalten sich mehr oder minder freiwillig veranlasst sahen, ihre Sendungen auf Ultrakurzwellen auszustrahlen. Das bedeutete nicht nur einen wirtschaftspolitisch wichtigen Nachfrageschub für die Sender- und Rundfunkgeräteindustrie, sondern auch einen beachtlichen Anstoß für qualitative und quantitative Programm-Innovationen bei den Rundfunkanstalten.
Unmittelbar nach In-Kraft-Treten des Kopenhagener Wellenplans am 15. März 1950 begann das Kölner Funkhaus am 3. April mit den ersten regelmäßigen UKW-Sendungen von UKW West. Verwirklicht wurde damit nicht nur Greenes Konzept eines Programm-Kontrastes von "leicht" (auf UKW) und "schwer" (auf Mittelwelle), sondern auch der Wunsch Nordrhein-Westfalens nach einem eigenständig in Köln gestalteten Programm ohne Hamburger Einreden.
Das WDR-Gesetz
Am 12. Mai 1954 wurde im Landtag in Düsseldorf das Gesetz über den WDR verabschiedet. Nach Verabschiedung dauerte es noch einige Monate, bis die britische Militärregierung sich entschließen konnte, ihre 1948 in Kraft getretene Verordnung 118 am 1. Februar 1955 aufzuheben. Erst dadurch konnte das WDR-Gesetz noch am selben Tag in Kraft treten und der Rundfunkrat sich am 2. März konstituieren. Am 12. März trat dann der Verwaltungsrat erstmals zusammen und wählte am 25. Mai den Intendanten des Kölner Funkhauses, Hanns Hartmann, erwartungsgemäß zum ersten Intendanten des neuen WDR.
Wenn der WDR von den rundfunkpolitischen Kontroversen der Adenauer-Zeit vergleichsweise wenig berührt blieb, so hatte das zweifellos eine seiner Ursachen in der rheinischen Konsens-Demokratie, die von den damaligen Düsseldorfer Regierungschefs der CDU wie auch der SPD, Karl Arnold und Franz Meyers, Fritz Steinhoff und Heinz Kühn, bewusst gefördert wurde.
Text (in gekürzter Fassung): Manfred Jenke, Hans-Ulrich Wagner, Robert von Zahn
Quelle: Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Band 1. Die Vorläufer 1924-1955, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2006.