Mehr als dreißig Mal war Johannes Rau schon in Israel, doch die Reise im Februar 2000 ist etwas Besonderes: Er kommt als Staatsoberhaupt, und er darf in der Knesseth, dem israelischen Parlament reden. In Deutsch, für viele Israelis immer noch die Sprache Hitlers, die "Sprache der Täter". Im Vorfeld der Rede hat es heftige Diskussionen in Israel gegeben. Weil Rau als "größter Freund Israels in Deutschland" gilt, setzt sich Parlamentspräsident Avraham Burg dafür ein, dass der Bundespräsident in seiner Muttersprache reden darf.
Als Rau am 16. Februar 2000 ans Rednerpult der Knesseth tritt, ist nur gut die Hälfte der Abgeordneten im Saal. Der Bundespräsident ist nervös. Seine Stimme klingt gepresst. Schnell kommt er zum Wesentlichen: "Im Angesicht des Volkes Israel verneige ich mich in Demut vor den Ermordeten, die keine Gräber haben, an denen ich sie um Vergebung bitten könnte. Ich bitte um Vergebung für das, was Deutsche getan haben, für mich und meine Generation, um unserer Kinder und Kindeskinder willen, deren Zukunft ich an der Seite Israel sehen möchte." Rau findet die richtigen Worte. Während er redet, kommen weitere Abgeordnete ins Plenum und setzen sich auf ihren Platz. Als er seine Rede beendet, applaudieren die Parlamentarier wohlwollend.
Das Echo auf die Rede ist in Deutschland wie in Israel positiv. Die Tageszeitung "Maariv" bezeichnet sie als "historisch", das linksliberale Blatt "Haaretz" lobt die "ausgestreckte Hand Raus". Beim Besuch des Rau-Nachfolgers Horst Köhler in Israel im Februar dieses Jahres gibt es erneut Proteste gegen eine Rede auf Deutsch in der Knesseth. Doch auch dem amtierenden Bundespräsidenten gelingt es, die Zuhörer für sich zu gewinnen - unter anderem mit einigen Dankesworten in Hebräisch.
Stand: 16.02.05