Stichtag

8. April 1965 - Vatikan richtet "Sekretariat für Ungläubige" ein

Die Kirche hat den Kontakt zur Welt verloren. Davon ist Papst Johannes XXIII. überzeugt. 1962 eröffnet er deshalb gegen alle internen Widerstände das Zweite Vatikanische Konzil. Alte Verkrustungen sollen verschwinden, die "Anpassung an das Hier und Jetzt" wird zum Leitmotiv. Nach dem Tod von Johannes XXIII. im Jahr 1963 führt Paul VI. den Gedanken weiter.

Eine Folge des Konzils sind Sekretariate, die sich im Vatikan um den Dialog mit anderen christlichen Konfessionen und nicht-christlichen Religionen bemühen sollen. Am 8. April 1965 kommt das "Sekretariat für Ungläubige" hinzu. Der 57-jährige Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, wird zu Leiter bestimmt – und ist zunächst ratlos. Was denn die Aufgaben des neuen Amtes seien, habe er Paul VI. gefragt, wird sich König später erinnern. Und der Papst "gab mir damals etwas schmunzelnd zur Antwort: 'Tja, da wird's am besten sein, Sie beginnen erstmal mit der Arbeit und dann wird sich das schon von selber ergeben'."

Gespräch auf Augenhöhe

Die Ernennung von König zum Leiter des "Sekretariats für Ungläubige" ist eine gute Wahl. Wegen seiner Bemühungen um eine Aussöhnung zwischen der katholischen Kirche und der Sozialdemokratie in Österreich gilt der Erzbischof in seiner Heimat bereits als "roter Kardinal"; theologisch unterstützt er in den frühen 60er Jahren die Öffnung der Kirche in weltlichen Fragen und wird so zu einem entscheidenen Wegbereiter des Zweiten Vatikanischen Konzils. Entsprechend unvoreingenommen geht König seine Aufgabe an. "Ich werde herausfinden, wo Interesse vorhanden ist auf der anderen Seite, mit der katholischen Kirche Verbindung aufzunehmen", definiert er vorsichtig seinen Auftrag. Nicht Mission ist die Grundidee, sondern das Gespräch auf Augenhöhe.

Die "andere Seite" aber macht es dem Kardinal nicht immr leicht. 1968 organisiert sein Sekretariat im kalifornischen Santa Barbara zwar die erste marxistisch-christliche Dialogkonferenz. In den sozialistischen Staaten ist das Misstrauen jeglicher Religion gegenüber jedoch fast unüberwindbar groß. Vom Opium fürs Volk wollen sich Kommunisten nicht berauschen lassen. Trotzdem bereitet das "Sekretariat für Ungläubige" einigen Historikern zufolge indirekt den Weg auch für eine marxistisch orientierte Befreiungstheologie - Entwicklungen, die ihrerseits in konservativen katholischen Kreisen nicht gern gesehen werden.

Im "Vorhof der Völker"

Als Kardinal König seinen Vorsitz beim "Sekretariat für Ungläubige" 1980 niederlegt, verliert es merklich an Einfluss. Erst werden Gelder gestrichen, dann beendet Johannes Paul II. die Eigenständigkeit der Institution: 1993 wird das Sekretariat in den päpstlichen Rat der Kultur integriert.

Erst 2011 keimt die Idee des Sekretariats im Projekt "Vorhof der Völker" wieder auf: eine Anspielung an den Vorraum des antiken Tempels in Jerusalem, zu dem auch Nicht-Juden Zutritt hatten. Nach seinem Leiter Kardinal Gianfranco Ravasi soll damit "die Verbindung zwischen Glauben und der Kultur des Volkes und der Gesellschaft neu geknüpft" werden – so, wie schon Reformpapst Paul VI. es sich wünschte.

Stand: 08.04.2015

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