"In großer Einsamkeit starb ..." - so beginnt die Traueranzeige, die der Springer-Verlag damals in alle deutschen Zeitungen setzen lässt. Der älteste Sohn des Verlegers Axel Cäsar Springer, Axel Springer junior, hat sich am 3. Januar 1980 auf einer Parkbank in Hamburg erschossen. Da kein Abschiedsbrief auftaucht, sind die Motive der Tat ungeklärt. Nach der Nachricht vom Suizid seines 38-jährigen Sohnes zieht sich Springer senior tagelang in ein abgedunkeltes Zimmer zurück. Die Beziehung der beiden war immer wieder schwierig gewesen.
Jahre später arbeitet Axel Sven Springer, der Sohn von Axel Springer junior, die Tragödie im 2012 erschienen Buch "Das neue Testament" auf. Darin bezeichnet er seinen Großvater, Springer senior, als einen "der wohl untalentiertesten Familienmenschen, den man sich vorstellen kann". Dieser habe den kleinen Axel, der am 7. Februar 1941 in Hamburg geboren wurde, zwar mit Kosenamen überhäuft: "Mein Pumpelchen, mein Stumpelchen". "Nur Zeit für ihn hatte er eher selten", heißt es im Buch. Springer senior, der insgesamt fünf Mal heiratet, schickt seinen neunjährigen Junior in ein Schweizer Internat.
Erfolg mit dem "Sportfoto des Jahrhunderts"
Eigentlich soll Springer junior studieren und als Nachfolger seines Vaters aufgebaut werden. Doch er will nicht "angestarrt werden wie ein Tier im Zoo, etwas sein ohne eigenen Verdienst". Gegen den Willen seines Vaters wird er Fotograf und legt sich das Pseudonym Sven Simon zu. Auch als der Junior mit 21 Jahren die 19-jährige Rosemarie Koschwald heiratet, ist der Senior dagegen. "Zur Hochzeit erschien der Verleger nicht, erst zum Hochzeitsempfang, den Axel-Juniors Mutter Katrin für das Brautpaar gab", schreibt Axel Sven Springer. Dennoch gelingt es Axel Springer junior, eine eigene Karriere mit einem Fotostudio in München aufzubauen. Der Name Sven Simon wird zur Marke: Sein Foto, das Fußballer Uwe Seeler zeigt, wie er 1966 nach dem verlorenen WM-Finale gegen England das Wembley-Stadion verlässt, wird zunächst als "Sportbild des Jahres" ausgezeichnet und im Jahr 2000 zum "Sportfoto des Jahrhunderts" gewählt.
Nach den Unstimmigkeiten arrangiert sich Axel Springer junior bald wieder mit seinem Vater. Er volontiert zwischendurch beim familieneigenen "Hamburger Abendblatt" und kehrt nach seinem Erfolg als Fotograf Ende 1967 in den Verlag zurück. Dort arbeitet er zunächst bei "Twen" und der "Bild"-Zeitung. Inzwischen hat er mit Rosemarie eigene Kinder: Ariane und Axel Sven. Dieser notiert später in seinem Buch: "Meine Eltern trennten sich 1970, als ich vier war, ließen einander danach wohl nie ganz los, nur mit der großen Liebe war es eben vorbei." Das Ende der Ehe ist ein schwerer Schlag für Axel Springer junior. "Die Familie sollte ein Ort der Ruhe und der Liebe für ihn sein", schreibt sein Sohn Axel Sven. "Ein Ort, der bleibt und nicht dauernd wechselt wie die Teilzeitheimaten seiner Kindheit."
"Ein Springer zum Anfassen"
Nach der Scheidung rückt Axel Springer junior noch näher zu seinem Vater und lässt sich von ihm neben Claus Jacobi zum Chefredakteur der "Welt am Sonntag" machen. Statt Sven Simon lässt er jetzt wieder Axel Springer junior ins Impressum schreiben. "'Ich lerne auf Verleger', soll mein Vater Freunden gesagt haben", schreibt Axel Sven Springer. "Die konnten es kaum glauben." Der heimgekehrte Sohn habe zwar zwei Semester Betriebswirtschaftslehre studiert, sich dabei aber gelangweilt, sagt Springer-Biograf Michael Jürgs. "Das war ein Job, den er sich eigentlich gar nicht vorstellen konnte - was dann viele, viele Konflikte verursachte."
"Mein Vater war ein unglaublich ehrlicher Mensch", schreibt sein Sohn Axel Sven. "Einer, der Arroganz hasste und jede Art von Dünkel, der jeden duzte und lieber mit kantigen Sylter Bauern jagen oder fischen ging, als mit den 'Flanellmännchen' um die Gunst des großen Verlegers zu rangeln." Der Journalisten-Kollege und Freund Jacobi spricht von einem "Springer zum Anfassen". Einen Bodyguard habe er abgelehnt. "Nur seine fünfschüssige Smith-and-Wesson Special trug er zuweilen bei sich."
"Niemand weiß, ob er umkehren wollte"
Im Sommer 1979 bekommt Axel Springer junior die Windpocken, die mit Cortison behandelt werden. Auf die damit verbundene Gewichtszunahme reagiert er mit Depressionen. Nachdem er Weihnachten auf Sylt verbracht hat, kehrt er im neuen Jahr nach Hamburg zurück. In der Nacht zum 3. Januar 1980 verlässt er gegen zwei Uhr früh sein Haus an der Alster. "Niemand weiß, wie lange er dort am Ufer herumgelaufen ist, ob er mit sich gerungen hat und vielleicht doch noch einmal umkehren wollte", schreibt sein Sohn Axel Sven. "Man weiß nur, dass er einen Revolver mit 9-Millimeter-Kaliber bei sich trug."
Stand: 03.01.2015
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