Carmen Thomas meldet sich am 5. Dezember 1974 zum ersten Mal für WDR 2 aus dem Ü-Wagen - mit dem Spitznamen Violetta. Fortan tingelt sie mit dem Gefährt durch Nordrhein-Westfalen und stellt ihn dort ab, wo Menschen oder Betroffene anzutreffen sind, auf Marktplätzen zum Beispiel, in Fußgängerzonen, vor Molkereien oder Obdachlosenheimen. "Das Konzept der Sendung war es, aus dem Studio rauszugehen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen", erinnert sich ein Hörer. Experten und Bürger sind eingeladen, über Themen wie Urin-Trinken, Orgasmen, weinende Männer oder Leseschwäche zu diskutieren. "Der Hörer fand zu dieser Zeit im Programm zu gut wie gar nicht statt. Wir haben ihn in die Sendung integriert. Das war unvorstellbar", sagt Thomas viele Jahre später im Interview mit einer Lokalzeitung.
"Carmen Thomas war großartig als Moderatorin"
Schon mit der ersten Sendung im Dezember 1974 ist Carmen Thomas ganz nah dran an den Menschen und dem, was sie aktuell bewegt: dem Nikolaustag. "Ich habe persönlich den Glauben an den Nikolaus verloren, als ich als Kind gesehen habe, dass der Nikolaus Frauenschuhe trug", sagt ein Passant in Carmen Thomas' Mikrofon. Der Mix aus Expertenwissen und direkter Hörerbeteiligung geht jeden Donnerstagvormittag zwischen 9.20 Uhr und 12.00 Uhr auf Sendung. "Carmen Thomas war großartig als Moderatorin. Sie hat es geschafft, dass die Leute ihre Hemmschwelle spätestens nach dem dritten Satz vergessen haben", sagt eine Hörerin. Lokaljournalisten nennen die Sendung eine "Talkshow für Bürger" oder auch "Mitmachradio".
Natürlich gibt es Kritik an dem Format. "Manchen war suspekt, dass jeder seine Meinung sagen darf, ungefiltert und unzensiert direkt auf dem Sender", sagt Lothar Lenz. Allen Kritikern zum Trotz wird Hallo Ü-Wagen ein großer Erfolg beim Publikum: Hunderte lauschen den Debatten vor Ort - bis zu eine Million vor dem Radio.
Sendung wird aus Kostengründen eingestellt
Nach zwanzig Jahren als Moderatorin verlässt Carmen Thomas 1994 den Ü-Wagen. "Das Publikum wird mir am meisten fehlen. Die spontanen, normalen Menschen haben etwas Unverstelltes und Herzliches, natürlich auch manchmal Böses. Sie sind nicht nur freundlich", sagt Carmen Thomas in ihrem Abschiedsinterview auf WDR 2. Der Ü-Wagen wechselt von WDR 2 zu WDR 5 und bekommt eine neue Moderatorin, Julitta Münch.
Doch 2010 wird Hallo Ü-Wagen aus Kostengründen als reguläres Format eingestellt. Die Sendung sei viermal teurer als vergleichbare Formate, erklärt der WDR 5-Programmchef Florian Quecke. "Die Menschen wollen nicht mehr darauf warten, bis der WDR-Ü-Wagen zweimal im Jahr auf dem Marktplatz steht, sondern sich jederzeit äußern", sagt Quecke, der unter anderem das Internet für die rückläufigen Hörerzahlen verantwortlich macht. Nur gelegentlich gibt es Sondersendungen zu speziellen Anlässen, zum Beispiel 2011 nach den japanischen Nuklearunfällen. "Hörerbeteiligung hat inzwischen in vielen WDR-Sendungen Einzug gehalten. Aber der Ü-Wagen hatte eine andere Qualität: Die Moderatorinnen mussten sich dem Publikum stellen. Ich vermisse ihn, den Ü-Wagen. Schmerzlich", sagt eine Hörerin.
Stand: 05.12.2014
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Dezember 2014 ebenfalls an die Sendung Hallo Ü-Wagen. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.