Stichtag

23. November 1934 - Der Taschenregenschirm wird patentiert

Hans Haupt, Bergassessor im Ruhestand, muss seit einer Kriegsverletzung am Stock gehen. Bei Regenwetter in der anderen Hand noch einen Stockschirm zu tragen, empfindet der Breslauer als höchst unpraktisch. Tüftlerisch begabt, konstruiert Haupt ein zusammenschiebbares Schirmmodell. 1928 meldet er seinen Teleskop-Taschenschirm unter dem Namen "Knirps" zum Patent an.

In Solingen findet Haupt einen Unternehmer, der an eine große Zukunft für den kleinen Neuling glaubt. Fritz Bremshey beginnt 1932 mit der Serienfertigung, zwei Jahre später, am 23. November 1934, wird Haupt das Reichspatent ausgestellt. Die Kunden reagieren neugierig, aber misstrauisch auf den Knirps. Werbewirksam schickt Bremshey seine Verkäuferinnen ins Schaufenster und lässt sie charmant die Vorzüge des Taschenregenschirms demonstrieren.

Ein Kleiner mit Geheimnis

Nach dem Zweiten Weltkrieg, Haupts Patentfrist ist abgelaufen, steigt Bremshey wieder in die Knirps-Produktion ein. Wegen des Rohstoffmangels müssen die Frauen, die zu Niedrigstlöhnen die knifflige Näharbeit erledigen, ihr eigenes Garn mitbringen, um den Arbeitsplatz zu sichern. Auf die wachsende Beliebtheit des Knirps im Wirtschaftswunderland reagiert die Konkurrenz mit Spott, erzählt Peter Joerissen. Der Experte des ehemaligen Rheinischen Archiv- und Museumsamts kennt noch so einen Werbespruch für Stockschirme aus den 1950ern: "Mit Schirm ein Herr, mit Knirps ein Knirps."

Bei immer komfortablerer Technik aber ist der Siegeszug des Taschenschirms nicht aufzuhalten. Bremshey investiert in aufwendige Werbekampagnen mit Prominenten, die dem als Piefling verhöhnten Knirps das Flair eines modernen Lifestyle-Produkts verleihen. Fernsehansagerin Petra Schürmann, 1956 zur schönsten Frau der Welt gekürt, verrät das geheime Innenleben ihres kleinen Begleiters: Im Knauf verstecken sich Lippenstift, Parfum und Strumpfhose. Weitere Spezial- und Nobelvarianten gehen imagefördernd an den Krupp-Erben Arndt von Bohlen und Halbach, die Bodyguards von US-Präsident Kennedy und an Beatrix, damals noch Kronprinzessin der Niederlande.

Der Knirps verlässt Solingen

Für Bremshey wird es allmählich eng auf dem Markt. Um den Knirps unter der Konkurrenz hervorzuheben, führt die Solinger Firma 1969 den roten Punkt als Marken-Signet ein. Doch dem Preisdruck durch massenhafte Billigimporte aus Fernost ist Bremshey auf Dauer nicht gewachsen. Anfang der 1980er-Jahre geht die Firma bankrott, ein anderes Unternehmen in Solingen übernimmt die Traditionsmarke Knirps. Nachdem 1999 auch der Nachfolger insolvent wird, landen die Markenrechte 2005 beim österreichischen Schirmhersteller Doppler.

Rund 500.000 Knirpse lässt Doppler pro Jahr in Österreich, der Schweiz und in Asien herstellen. Landestypische Vorlieben, das weiß Knirps-Entwicklungschef Knut Schröder, spielen eine wichtige Rolle: "In Deutschland wird eher das etwas vorsichtige Muster gewagt, während in Japan etwa Pastellfarben sehr gefragt sind." Aber aller Fantasie der Schirmdesigner zum Trotz, so verrät Schröder, "der bestverkaufte Knirps ist immer noch der in uni schwarz." Nicht so in Russland, da muss der Schirm funkeln. Für betuchte Russen sind Edel-Modelle mit Sterling-Silber, Swarovski-Kristallen und Nerzbespannung im Angebot.

Stand: 23.11.2014

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. November 2014 ebenfalls an die Patentierung des Knirps-Taschenregenschirms. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.