Es ist eiskalt, als am frühen Morgen des 13. Januars 1915 in der mittelitalienischen Region Abruzzen die Erde bebt. Die Erschütterungen um 7.25 Uhr dauern nur wenige Sekunden, dennoch bewirken sie eine Katastrophe: Alleine in der Stadt Avezzano, dem Epizentrum des Bebens, werden 11.000 der 13.000 Einwohner getötet. Insgesamt sterben 30.000 Menschen in der Bergregion, ganze Dörfer werden ausradiert. Die schweren Stöße erreichen kurz vor acht Uhr auch Rom. Die Säulen des Peterplatzes werden schwer beschädigt, ebenso die Kapitol-Paläste und etliche Kirchen. Ein Teil des Finanzministeriums bricht in sich zusammen.
Nur etwa 100 Kilometer trennen die Hauptstadt und Avezzano, doch es liegen Welten zwischen Rom und seinem unterentwickelten Hinterland. Die einzige Verbindungsstraße ist verschüttet, die Bahnlinie weitgehend zerstört. Hunderte Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten. Als nach Tagen die ersten Helfer und Journalisten das gebirgige Gebiet erreichen, bietet sich ihnen ein Bild des Grauens. Die Tageszeitung "Messaggero" berichtet: "Hunderte von Überlebenden biwakieren rund um ein Lagerfeuer auf dem Platz. Sie scheinen das Bewusstsein verloren zu haben und sind nicht imstande, den Unglücklichen zu helfen oder auch nur ein Wort zu sagen. Unter den Trümmern hört man Stöhnen und herzzerreißende Schreie um Hilfe."
Geologen und Erdbebenforscher untersuchen daraufhin zum ersten Mal ein Erdbeben in all seinen Facetten. Sie wollen wissen, warum die Auswirkungen des Bebens so verheerend waren, wie man den Zivilschutz effizienter machen und Häuser stabiler bauen kann. Denn bereits früher hat in Italien die Erde gebebt. Heute weiß Alessandro Amato vom Nationalen Erdbebenzentrum in Rom, dass die geografische Lage Italiens zwischen den Alpen und dem Mittelmeer dafür verantwortlich ist: "Italien ist zwischen verschiedenen Erdplatten eingeklemmt - und daher kann es immer wieder zu Beben kommen."
Stand: 13.01.05