1834 bereist der junge Anwalt John Lloyd Stephens Italien, Griechenland und den Nahen Osten. Hier entdeckt er nicht nur sein Interesse an der kulturellen Ferne, die ihn wenig später zum Reiseschriftsteller werden lässt. Im Heiligen Land stößt er bei einem Missionar auch auf eine lithografierte Landkarte, die sein Interesse weckt. "Ich stellte fest, dass sie ein besserer Führer zu allen interessanten Städten war, als alles, was ich sonst in Jerusalem auftreiben konnte."
Gezeichnet hat die Karte Frederick Catherwood, der beste Landschaftsmaler seiner Zeit. Beide lernen sich später in London kennen und verstehen sich auf Anhieb. Für die Wissenschaft ist die Freundschaft ein Glücksfall. Denn Stephens und Catherwood begeben sich nun gemeinsam auf Reisen – und halten schreibend und zeichnend fest, was später teils unwiederbringlich verloren geht.
Mit Diplomatenfrack und Tinte
Im Herbst 1839 betritt das Expeditionsduo in New York den britischen Segler "Mary Ann", um zu den Ruinenstädten im mexikanischen Yucatán zu reisen. Der inzwischen berühmte Reiseschriftsteller Stephens hat einen Diplomatenfrack und ein Beglaubigungsschreiben der US-Regierung im Gepäck, Catherwood schleppt Vermessungsgeräte und Unmengen an Zeichenpapier, Stiften und Tintenfässern mit sich herum. Vollbepackt schlagen sie sich durch den schlammigen Dschungel Mittelamerikas, stolpern über Wurzeln – und verlieren langsam die Hoffnung, etwas zu finden.
Am 17. November 1839 endlich stoßen Stephens und Catherwood auf die überwucherten Maya-Ruinen von Copán. Steinbildwerke legen sie mit der Machete frei, Stelen und Altäre, eine Hieroglyphentreppe. Das Paar erlebt einen Kulturschock der besonderen Art. "Amerika, sagen die Geschichtsschreiber, war von Wilden bevölkert", wird Stephens später in seiner lebendigen Sprache schreiben. "Aber Wilde errichten nimmermehr diese Bauten, Wilde meißeln nimmermehr diese Steine aus!"
Als eine Kultur erkannt
Nach Copán stehen Palenque und Uxmal auf dem Reiseplan. Catherwood zeichnet Maya-Kunst, die später teils geraubt oder zerstört wird, Stephens macht sich Notizen. 1840 müssen beide wegen einer Malariaerkrankung zurückreisen, doch schon im Oktober 1841 brechen sie zu einer zweiten Expeditionsfahrt auf. Mehr als 40 Maya-Ruinenstätten spüren sie insgesamt im Dschungel auf. Ihre Texte und Zeichnungen über die "Reisen und Entdeckungen in Mittelamerika und Mexiko 1839 bis 1842" sorgen in den USA und in Europa für Begeisterung und machen Stephens und Catherwood als Duo berühmt.
Stephens und Catherwood gelten als die ersten Forscher, die sich der Maya-Kultur mit einem wissenschaftlichen Interesse nähern. Und sie sind die ersten, die die einzelnen Funde als Zeugnisse einer einzigen Kultur interpretieren. Der Name der Maya ist zu dieser Zeit noch unbekannt. Auch das Alter der von entdeckten oder erstmals beschriebenen Stätten finden andere Forscher erst heraus, als sie den Maya-Kalender entschlüsseln. Sie stammen aus einer Zeit zwischen 300 und 900 nach Christus.
Stand: 17.11.2014
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