Sepp Herberger wusste nicht nur, dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert. Er war sich auch sicher: "Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, eben schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist." Aber mit dem "Wunder von Bern" löst Herberger auch bei Frauen Fußballbegeisterung aus. Insbesondere im Ruhrgebiet bilden sich Damenfußballclubs. Ihre Spiele ziehen bis zu 10.000 Zuschauer an. Das alarmiert den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Bei seinem Bundestag am 30. Juli 1955 in Berlin ächtet er das Frauen-Kicken. Vereinen im DFB wird untersagt, "Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen oder Plätze für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen."
Die Herren des DFB brauchen sich nicht auf Sepp Herberger zu berufen. Auch der Psychologe F.J.J. Buytendijk kommt in einer Studie zu dem Schluss: "Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen. Das Treten ist wohl spezifisch männlich." Der DFB begründet sein Verbot denn auch mit "grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen." Letztere sind recht konkret, wie sich der damalige Delegierte Hubert Claessen erinnert: "Das war für die schon schwere Sünde, dass die Mädchen da mit wackeligem Busen übers Feld liefen und auch noch gegen den Ball traten und sich gegenseitig foulten."
Aber die "Mädchen" verharren in ihrer Sünde, spielen auf kommunalen Plätzen, gründen eigene Vereine. 1956 sehen 18.000 Zuschauer das erste Frauen-Länderspiel Deutschland gegen Holland. Erst 1970 kapituliert der DFB gegen das, was die Bild-Zeitung "Fußball-Sturmlauf auf Stöckelschuhen" nennt. Zu dieser Zeit laufen schon etwa 60.000 Frauen dem runden Leder nach - natürlich nicht in Stöckelschuhen. Das späte Nachgeben bringt dem DFB Glück: Seine Frauen-Nationalelf führt heute die Weltrangliste an, die deutschen Fußballerinnen werden 2003 Weltmeister und sind sechsmalige Europameister. Die Bundesliga-Frauen von "Turbine Potsdam" müssen 2005/2006 ihren UEFA-Cup-Titel verteidigen.
Stand: 30.07.05