Claire Waldoff

Stichtag

21. Oktober 1884 - Claire Waldoff wird geboren

"Buttrich, quäkend und tugendsam singt sie erst eine Menge Dinge von ihrem Liebsten." Kurt Tucholsky ist hingerissen, als er 1913 Claire Waldoff zum ersten Mal hört. "Und auf einmal, über die bewegten Köpfe der lachenden Zuschauer und durch den Zigarrenrauch und den Lärm brüllt ihre Stimme andante: 'Hermann heeßt er!' Und noch einmal leiser: 'Hermann heeßt er!'" Für den Schriftsteller singt die Kabarettistin, "wie der Berliner Spatz singt, unbekümmert, frech". Dabei stammt Claire Waldoff gar nicht aus Berlin: Sie wird am 21. Oktober 1884 als Clara Wortmann in Gelsenkirchen geboren - als elftes von insgesamt 16 Kindern einer Gastwirtsfamilie.

Clara ist wissbegierig und willensstark. Da es in Gelsenkirchen noch kein Mädchengymnasium gibt, zieht sie mit zwölf Jahren nach Hannover und macht Abitur. Ursprünglich will sie Medizin studieren, doch ihre Faszination durch die Bühne ist stärker. 1903 nimmt sie den Künstlernamen Claire Waldoff an und geht noch im selben Jahr ohne vorherige Ausbildung an das fürstliche Sommertheater in Bad Pyrmont, wo sie jugendliche Liebhaberinnen spielt. Doch nach einer Saison ist Schluss. Waldoff wechselt notgedrungen das Metier und schlägt sich als Hausdame in einem Hotel durch - bis sie ein neues Engagement in Kattowitz erhält, einer im polnisch-schlesischen Kohlenrevier gelegenen Bergarbeiterstadt. Dort spielt sie jeden zweiten Tag in einem anderen Stück.

Mit Marlene Dietrich befreundet

Doch Claire Waldoff will in die Großstadt Berlin. Auf Vermittlung einer Schulfreundin werden ihr vom Figaro-Theater am Kurfürstendamm einige kleine Rollen angeboten. Dabei fällt sie dem Theaterkritiker Alfred Kerr auf: "Ein originelles Talent, auf das man neugierig sein muss." 1907 zeigt sie, was in ihr steckt: eine Kabarettistin. Claire Waldoff debütiert im "Roland von Berlin" mit einem Lied des Komponisten Walter Kollo über die Liebe eines Enterichs zu seinem "Schmackeduzchen", einer Art Schilfgewächs. Das ist der Durchbruch. Ihr Repertoire besteht aus leichten, unterhaltsamen Liedern. Sie handeln vom Alltag der kleinen Leute aus der Perspektive einer Frau, von der Lust und der Liebe und all ihren Verwicklungen. Claire Waldoff habe das Unfeine salonfähig gemacht, sagt die Historikerin Claudia Schoppmann. Der Maler Heinrich Ziller habe sie einmal beschrieben "als fluchend und rauchend wie ein Müllkutscher".

Die kleine rothaarige Frau lässt sich nicht von Konventionen einschränken - weder beruflich noch privat. "Claire Waldoff hat immer das getan, wozu sie Lust hatte", sagt Birgit Haustedt, Autorin einer" Klatsch- und Kulturgeschichte der Frauen". Die bekennende Lesbe habe gern gefeiert und einen der rund 30 Berliner Frauenclubs besucht. Claire Waldoffs Liebste heißt Olga von Roeder und ist zehn Jahre jünger. Die beiden lernen sich vor dem Ersten Weltkrieg kennen und bleiben über vier Jahrzehnte ein Paar. "Eine gute Freundin von mir war auch die Marlene Dietrich, ach, die war wunderschön", so Claire Waldoff. Angeblich sollen die beiden eine Liaison gehabt haben.

Auftritt in besetzten Paris

Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler bleibt Claire Waldoff in Deutschland - und arrangiert sich. "Sie hatte ein Auftrittsverbot 1933", sagt Historikerin Schoppmann. Aber nachdem sie "den sogenannten Ariernachweis erbracht hatte, durfte sie schon im Herbst 1933 wieder auftreten". Im Zweiten Weltkrieg beteiligt sich Claire Waldoff an den Radio-Wunschkonzerten für die Wehrmacht und tritt 1942 als Truppenunterhalterin im besetzten Paris auf. Dennoch gibt es Reibereien mit den Parteibehörden und Proteste von Nazis gegen ihre Lieder im Rundfunk. Diese würden nicht dem "gesunden Volksempfinden" entsprechen.

Zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Olga zieht Claire Waldoff 1940 in ihr Sommerhaus nach Bayern. Die letzten Bühnenauftritte während des Nationalsozialismus absolviert sie 1943. Nach Kriegsende tritt Claire Waldoff gelegentlich noch auf, aber nicht mehr vor großem Publikum. Sie zieht sich zunehmend ins Privatleben zurück. 1953 erscheint ihre Autobiografie "Weeste noch ...!" Am 22. Januar 1957 stirbt Claire Waldoff in Bad Reichenhall im Alter von 72 Jahren an einem Schlaganfall.

Stand: 21.10.2014

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