Natürlich spricht zuerst der bayerische Ministerpräsident: "Bisher vermittelte uns die Bildröhre hauptsächlich Neuigkeiten, Unterhaltung und zwischenhinein Werbung." Nun aber, verkündet Alfons Goppel, werde das Fernsehen helfen, auf breitem Raum Bildung zu vermitteln. Für den Landesvater "ein neuer Beweis für die Stellung Bayerns im deutschen Kulturleben."
Mit diesem heimatstolzen Wort eröffnet Goppel am 22. September 1964 im Bayerischen Fernsehen das erste Dritte Programm. Die anderen Landesanstalten der ARD werden bis 1969 folgen. Nicht ganz unschuldig am Entstehen der Regional-Ableger ist das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das seit 1963 um Zuschauer buhlt. "Die Verantwortlichen bei der ARD haben gemerkt, dass ihnen da eine Konkurrenz heranwächst. Der wollte man nicht kampflos das Terrain überlassen", weiß der Journalist Karl-Otto Saur, Autor eines Buches über die Geschichte des Bayerischen Rundfunks (BR).
Pädagogisches Pantoffelkino
Das "Lehr- und Studienprogramm" der Münchener bietet anfangs nur Schulfernsehen und Sprachkurse, Nachhilfe in Politik und Vorlesungen von Professoren. Es ist Fernsehen im Sparformat, denn teuer darf das jüngste Kind der ARD nicht sein. Deshalb, erklärt Programmdirektor Helmut Oeller zum Sendestart, "ist es günstig, dass wir häufig mit Wissenschaftlern, mit Professoren arbeiten. Denn der Professor ist billiger als der Clown."
Neben der Bildung soll das Dritte Programm, wie Buchautor Saur es nennt, "das Stammesbewusstsein des jeweiligen Landessenders fördern". Deshalb beleben überall auch Brauchtumspfleger und Heimatkundler die kargen Kulissen der Dritten. Die meiste Sendezeit aber füllen Kurse für Autofahrer und anderes pädagogisches Pantoffelkino. Legendär wird das in allen Dritten ausgestrahlte Telekolleg. Obwohl der Nachhilfeunterricht staubtrocken serviert wird, lobt Karl-Otto Saur die TV-Volkshochschule: "Das war wirklich eine Art Kulturrevolution, dass man den Leuten mit Hilfe des Fernsehens ermöglichen wollte, einen höheren Schulabschluss zu erreichen."
Die Sonderwege des BR
Im Lauf der 70er Jahre werden die anfangs nur wenige Stunden ausgestrahlten Dritten zu Vollprogrammen ausgebaut. Jede von einer der ARD-Landesanstalten gezeigte Sendung steht prinzipiell auch den anderen zu Verfügung. Doch die Bayern gehen kulturell gern weiter eigene Wege. Als NDR und WDR 1971 die Vorschul-Serie "Sesamstraße" starten - die anderen Sender folgen bald - da lehnt BR-Fernseh-Direktor Helmut Oeller die Ausstrahlung ab mit der Begründung: "Deutsche Kinder können sich mit den in der Sendung auftretenden Negern nicht identifizieren."
Mit den Serien "Ein Herz und eine Seele" des WDR oder den "Münchener Geschichten" im Bayerischen Fernsehen erobert dann auch die Unterhaltung ihren Platz bei den Dritten. 1978 verursacht der BR erneut einen Eklat, als er die Ausstrahlung des US-Vierteilers "Holocaust" im Ersten Programm blockiert. So läuft das außergewöhnliche Nazi-Drama erstmals zeitgleich in allen Dritten und löst eine bundesweite Debatte über die NS-Verbrechen an Juden aus. An den vier Sendeabenden klettert die Einschaltquote von normalerweise weit unter 10 Prozent auf über 40 Prozent. Durch diesen Erfolg, so das Resümee des TV-Experten Saur, "sind die Dritten Programme erst so richtig im Bewusstsein der Zuschauer angekommen."
Stand: 22.09.2014
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