Wie buddhistische Mönche ein Fernsehstudio einweihen, konnten Besucher 1999 in Bhutan beobachten. Bis dahin mussten die Bhutaner warten, denn der König Jigme Singye Wangchuck hatte das Fernsehen über Jahrzehnte verboten, dazu Satellitenschüsseln und Antennen. Natürlich florierte ein Schwarzmarkt für Fernseh- und Videogeräte und die verbotenen Satellitenschüsseln: Vor allem Jugendliche besorgten sich auf diesem Weg indische Liebesfilme und amerikanische Actionfilme. Als viele Bhutaner verstimmt sind, weil sie die Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich nicht selbst verfolgen können, reagiert der König dann doch: Als eines der letzten Länder der Erde führt Bhutan am 2. Juni 1999 das Kabelfernsehen ein - und einen eigenen Sender. Die Mönche laufen singend und betend durch das Fernsehstudio des neuen nationalen Senders Bhutan Broadcasting Service Network (BBS), werfen Reis und verbrennen Weihrauch.
Die Macht des Drachenkönigs war fast uneingeschränkt
Seit Generationen versucht die Regierung, die buddhistische und ländliche Tradition des Landes zu wahren. Veränderungen gibt es bis heute nur schrittweise. Der König Jigme Singye Wangchuck, auch Drachenkönig genannt, regierte von 1972 bis 2008. Er ging dabei weniger autokratisch vor als sein Vorgänger, unter dem Bhutan noch ein mittelalterlicher Feudalstaat mit Leibeigenschaft gewesen war. Doch die Macht des Königs war weiterhin fast uneingeschränkt. Zwar existierte seit 1953 ein Parlament. Seine 150 Mitglieder wurden aber nicht gewählt, sondern von einflussreichen Familien entsandt – oder vom König und buddhistischen Mönchen ernannt.
Schon längst vor der Fußballweltmeisterschaft hatte der Drachenkönig nach und nach mehr Demokratie gewagt. Im August 1988 hatte er sich aus eigenem Antrieb der Autorität des Parlaments unterstellt – gegen dessen Willen. Und 1999, am 25. Jahrestag seiner Krönung, "schenkte" er den Bhutanern das Fernsehen.
Macht das Fernsehen glücklicher oder unglücklicher?
40 Kabelkanäle tragen seitdem die Außenwelt in den abgeschiedenen Staat im Himalaya – dazu Werbung, Glamour und neue Produkte. Mit dem Bhutan Broadcasting Service Network (BBS) und Berichten über lokale Sänger, Kunsthandwerk und Religion kämpft die Regierung gegen die Allmacht der indischen Seifenopern aus Bollywood. Nach dem Fernsehen erlaubte der König bald das Internet und im Jahr 2004 Mobiltelefone.
Politiker fragen sich seitdem, ob das Fernsehen die Bhutaner glücklicher oder unglücklicher gemacht hat. "Kaum ein Bhutaner kann sich einen Toyota Landcruiser leisten. Aber im ausländischen Fernsehen bekommt er ihn zu sehen. Er kann in die Häuser der Reichen schauen und wird dadurch möglicherweise unzufrieden", sagte der Programmchef der BBS, Tsonam Tshong damals kritisch. Die Bhutaner sehen das anders. Das Fernsehen habe ihren Horizont erweitert, sagten 66 Prozent der Befragten in einer Umfrage aus dem Jahr 2003.
Stand: 02.06.2014
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