Es ist die Sorte Telegramm, die einen Hoteldirektor bis ins Mark erschüttern kann: "sofort kommen + stop + hotel brennt + stop + dachstuhl bereits verloren". Doch der Herr Generaldirektor kommt zu spät. Kaum ist er an seinem Hotel unweit der Berliner Friedrichstraße eingetroffen, bricht das Gebäude in sich zusammen. Sein junger Geschäftspartner allerdings, der ihm eben noch telegrafiert hat – ein gewisser Lorenz Adlon –, wirkt merkwürdig aufgekratzt. Er sieht im Brand der Berliner Luxusherberge Continental nichts weniger als die Geburtsstunde eines noch viel luxuriöseren Hauses: seines Hotels Adlon. So berichtet es jedenfalls seine Schwiegertochter Hedda Adlon in ihren Memoiren "Hotel Adlon. Das Berliner Hotel, in dem die große Welt zu Gast war". "Adlon ist der erfolgreichste Hotelier der Kaiserzeit, aber der Sohn eines Schuhmachers. In seine Wiege ist nichts gelegt worden, was ihn auf diese Erfolgsspur gebracht hätte", sagt der Berliner Historiker Laurenz Demps.
Wo die Masse feiert, ist auch Adlon anzutreffen
Lorenz Adlon wird am 29. Mai 1849 in Mainz geboren und geht es nach den Eltern soll er Tischler werden. Schließlich müssen sie noch acht weitere Kinder durchbringen. Doch es kommt anders. "Eines Tages machte sein Turnverein einen Ausflug, und die Vereinsbrüder hatten ihn bewogen, für sie alle Speis und Trank zu besorgen", berichtet Adlons Schwiegertochter Hedda. "Bei dieser kleinen Unternehmung verdiente er viel Geld, und damit war er auf den Geschmack gekommen." Turnfeste, Schützenfeste, Volksfeste – wo die Masse feiert, ist auch Adlon anzutreffen, mit Bier und Wein, Wurst und Haxe. "Er merkt jedoch bald, dass das nicht sein Publikum ist. Adlon war jemand, der einen Sinn dafür hatte, was die feine Gesellschaft brauchte und wollte. Die Kronprinzen und deren Entourage - sie wollte er als Kunden haben", sagt der Historiker Laurenz Demps.
Hotel Adlon: "Vornehme, herrliche Lage. Moderne Einrichtung"
Dass er seinen katholischen Vornamen Laurenz beim Umzug ins protestantische Berlin in Lorenz verwandelt ist kein Opfer, sondern willige Assimilation. Zwei Jahrzehnte lang arbeitet er sich mit Hotelbeteiligungen und Restaurants nach oben. 1907 eröffnet er endlich sein Luxushotel am Pariser Platz, Unter den Linden 1. "Hotel Adlon, Berlin … Vornehme, herrliche Lage. Moderne Einrichtung. Großer Komfort", inseriert er damals. Von den 350 Zimmern sind die Hälfte mit einem eigenen Baderaum ausgestattet. Menübestellungen der Gäste gehen per Rohrpost in die Küche. Und der Fahrstuhl führt in jede Etage. Selbst Kaiser Wilhelm II. logiert hier mit Vorliebe. Um den Blick aufs Brandenburger Tor beneidet die Konkurrenz das Adlon bis heute.
Das Tor wird Lorenz Adlon dann auch zum Verhängnis. Gleich zweimal wird er auf dessen mittlerer Durchfahrt angefahren. 1921, beim zweiten Unfall, stirbt er.
Stand: 29.05.2014
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 29. Mai 2014 ebenfalls an Lorenz Adlon. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.