Fünf Worte sind es nur, aber sie werden ihr Leben bestimmen: "Leider wieder nur ein Mädchen", liest Bertha Ringer mit zehn Jahren in der Familienbibel. Geschrieben hat das ihr Vater nach Berthas Geburt am 3. Mai 1849. "Das hat sie bis ins hohe Alter beschäftigt", weiß Angela Elis, Biografin der späteren Ehefrau und Wegbereiterin des Automobilpioniers Carl Benz.
Nach zwei Töchtern hatte sich der reiche Pforzheimer Zimmermann und Immobilienhändler Karl Friedrich Ringer sehnlichst einen Stammhalter gewünscht. Nun will die zierliche Bertha dem Vater beweisen, wozu ein Mädchen in der Lage ist. Statt für Nadel und Faden interessiert sie sich so sehr für Technik, dass ihr Vater sie bald auf Baustellen mitnimmt. Auch Ringers Hoffnung auf einen standesgemäßen Schwiegersohn wird ihm seine hübsche Tochter nicht erfüllen.
Mutter, Motivatorin, Mitunternehmerin
Bei einer Kutschfahrt verliebt sich Bertha in Carl Benz, den mittellosen unehelich geborenen Sohn einer Dienstmagd. Der junge Ingenieur, visionär, aber etwas verschroben, ist verunsichert. Bertha habe Besseres verdient als ihn, der über Maschinen viel mehr weiß als über Gefühle, gibt er zu bedenken. "Doch diese Begegnung war offenbar so intensiv, dass sie seitdem nicht mehr voneinander gelassen haben", berichtet Angela Elis. Als Carl der Geliebten von seinem Traum eines pferdelosen motorgetriebenen Wagens erzählt, ist Bertha Feuer und Flamme. Sie investiert ihre Mitgift in Carls Pläne und heiratet ihn zudem im Juli 1872.
Das Paar bezieht ein Haus mit Werkstatt in Mannheim und bekommt in rascher Folge vier Kinder. Mehr schlecht als recht hält Carl Benz die Familie mit Auftragsarbeiten über Wasser, während er nachts an seinem Benzinmotor tüftelt. Tatkräftig hilft Bertha in der Werkstatt mit und baut ihren Mann mit unerschütterlichem Optimismus wieder auf, wenn er zu verzweifeln droht. Nach zahllosen Rückschlägen bringt Benz seinen Motor in der Silvesternacht 1879 erstmals zum Laufen. 1886 erhält er das Patent für das erste Automobil der Welt. Bei den Mannheimern aber erntet der Erfinder nur Hohn und Spott, wenn er sich mit seinem knatternden Dreirad auf die Straße traut.
Erste Fernfahrt der Autogeschichte
Wieder ist es seine unternehmungslustige Frau, die dem Lauf der Dinge den entscheidenden Schub gibt. An einem Augustmorgen 1888 holt Bertha Benz den Motorwagen aus der Werkstatt und bricht mit ihren zwei Söhnen zu einer abenteuerlichen Fahrt ins über 100 Kilometer entfernte Pforzheim auf. Die holprige Tour auf den von vierrädrigen Kutschen ausgefahrenen Wegen ist eine Tortur für Mensch und Maschine, aber keine der zahlreichen Pannen kann Bertha Benz stoppen. Eine verstopfte Benzinleitung reinigt sie mit ihrer Hutnadel, und als die Zündung versagt, repariert sie sie mit ihrem Strumpfband.
Durchgerüttelt, aber wohlbehalten erreichen Bertha und ihre Söhne nach über zwölf Stunden das Haus der Eltern in Pforzheim. Die erste Automobilistin der Welt hat allen Zweiflern bewiesen: Der Benz-Patentwagen Nummer 3 funktioniert auch auf langen Strecken. Mit ihrer wagemutigen Pioniertat verhilft Bertha Benz ihrem Mann zum erhofften wirtschaftlichen Erfolg. Erst 15 Jahre nach dessen Tod 1929 erfährt ihre Leistung die verdiente Würdigung. An ihrem 95. Geburtstag ernennt die Technische Hochschule Karlsruhe die Frau, die das Tor zum Auto-Zeitalter aufstieß, zur Ehrensenatorin. Zwei Tage später, am 5. Mai 1944, stirbt Bertha Benz.
Stand: 03.05.2014
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