Noch weit bis ins 19. Jahrhundert weiß der russische Zar kaum etwas über den fernen asiatischen Osten seines Reichs. Mit Interesse liest Alexander II. daher die "Militärische und statistische Übersicht über das Amur-Land" seines Offiziers Nikolai Prschewalski. Der 1839 geborene Geografielehrer einer Armeeschule bietet dem Zaren an, das unbekannte Land gründlich zu erkunden und zu vermessen.
Alexander überträgt Prschewalski 1866 ein Kommando im Grenzgebiet und bahnt so einem der bedeutendsten Asien-Forscher seit Marco Polo den Weg. Berstend vor Gesundheit, Kraft und Neugier verbringt Nikolai Prschewalski fortan die meiste Zeit seines Leben in den Wüsten und Bergregionen Asiens. Akribisch kartografiert, sammelt und beschreibt er alles, was er zu Gesicht bekommt.
Enttäuschung vor Lhasa
Eingepfercht im Armeedrill habe er sich "wie ein Diamant im Misthaufen" gefühlt, schreibt Prschewalski. "Irgendetwas lockte mich unbewusst zu Mühen und Gefahren, eine ruhmreiche Aufgabe lag vor mir". Von seinem ersten Kommando kehrt er mit einer überwältigenden Fülle an Sammelobjekten und Aufzeichnungen zurück. Zar Alexander erkennt Prschewalskis Fähigkeiten und schickt ihn 1870 auf die nächste Erkundung in den wilden Osten. Mit großem Tross reist der Forscher über Sibirien nach Peking, von dort zum Koko-nor, einem der größten Salzseen der Erde; er erreicht den Fluss Jangtsekiang und durchquert die Wüste Gobi.
Rund 10.000 Kilometer legt Prschewalski allein in den ersten drei Jahren zurück. In der Heimat hält es ihn nur so lang, bis er zur nächsten seiner insgesamt vier Expeditionen aufbrechen kann. Trotz immenser Strapazen für Mensch und Tier durchquert er mehrere Male das rund 4.000 Meter hoch gelegene Tibet, dessen wilde Berglandschaft ihn tief beeindruckt. Wie alle Asien-Reisenden träumt auch Prschewalski davon, die sagenhafte Hauptstadt Lhasa besuchen zu dürfen. Doch zu seiner großen Enttäuschung wird ihm die Einreise verwehrt.
"equus ferus przewalskii"
In seinen Berichten hält Prschewalski nicht nur geografische und geologische Details fest, sondern auch zahlreiche Studien zur Botanik und Zoologie. Als erster westlicher Forscher sieht und beschreibt er das Wildkamel. In der Wüste Gobi macht Prschewalski seine größte Entdeckung: den Schädel und das Fell eines besonderen Pferdes, wie er an Stehmähne und eselartigem Schweif erkennt. Zurück in St. Petersburg bestätigt ihm der Zoologe J.S. Poliakow, dass dieses etwa 1,30 Meter große asiatische Wildpferd in der westlichen Welt völlig unbekannt ist.
Damit hat Prschewalski - nach dem schon ausgestorbenen europäischen Wildpferd, dem Tarpan - die letzte überlebende Wildpferd-Art entdeckt. Ihm zu Ehren tauft Poliakow es auf den Namen "equus ferus przewalskii". Auf der nächsten Reise kann der Reisende sogar einige lebende Exemplare beobachten. Doch erst zwei Jahrzehnte später gelingt es, Przewalski-Pferde zu fangen. Seither werden sie weltweit gezüchtet. 1992 hat man die in freier Wildbahn inzwischen ausgestorbene Art in der Mongolei wieder angesiedelt.
Im August 1888 bricht der inzwischen 49-jährige Forscher zu seiner fünften Reise in Richtung Tibet auf. Obwohl man ihn vor einer Typhus-Verseuchung warnt, trinkt er vom Wasser des Flusses Tschu. Nikolai Prschewalski erkrankt und stirbt am 1. November 1888 in der kirgisischen Stadt Karakol. Zu Ehren des großen Asien-Reisenden wird sie in Prschewalsk umbenannt.
Stand: 12.04.2014
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. April 2014 ebenfalls an Nikolai Prschewalski. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.