Regisseur Veit Harlan filmt 1954 auf dem Münchner Flughafen mit einer Schmalfilm-Kamera

Stichtag

13. April 1964 - Veit Harlan stirbt auf Capri

"Jud Süß" ist für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels "der erste wirklich antisemitische Film". Das Lob gilt Regisseur Veit Harlan, der den Propaganda-Streifen inszeniert und am Drehbuch mitgeschrieben hat. Sein Film, der 1940 uraufgeführt wird, basiert in Ansätzen auf historischen Tatsachen: Der Jude Joseph Süß Oppenheimer berät im 18. Jahrhundert den württembergischen Herzog Karl Alexander in Finanzdingen. Nach dem Tod des Herzogs wird Oppenheimer für dessen rigide Steuerpolitik verantwortlich gemacht und nach einem Prozess gehängt - obwohl für die Anklagepunkte wie Hochverrat, Beraubung der Staatskassen oder Korruption keine Beweise vorliegen. Harlan hingegen vereinigt in seiner Filmfigur alle antisemitischen Vorurteile wie Habgier, Feigheit, Hinterlist, sexuelle Bedrohung arischer Frauen und jüdische Weltverschwörung.

Bis zum Ende des NS-Regimes sehen über 20 Millionen Zuschauer den Hetz-Film. Nach dem Zweiten Weltkrieg muss sich Harlan für "Jud Süß" vor Gericht verantworten. Vorgeworfen wird ihm Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er sei für den Holocaust mitverantwortlich. Harlan behauptet, er habe sich in einer Notsituation befunden und nur auf Befehl von Goebbels gehandelt: "Was bleibt einem richtigen Künstler denn übrig in dem Augenblick? Wir waren in einer furchtbaren Lage." Im April 1949 wird Harlan in Hamburg freigesprochen - mit der Begründung, die Wirkung des Films sei nicht mit Sicherheit nachweisbar. Auch die Revision übersteht der Regisseur.

"Von den Nazis bezahlen lassen"

Geboren wird Harlan am 22. September 1899 in Berlin. Der Schriftstellersohn macht eine Lehre als Silberschmied und geht als Schauspielschüler ans Max-Reinhardt-Seminar. 1916 zieht er als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg, danach schafft er es als Schauspieler bis ans Preußische Staatstheater. 1933 bekennt sich Harlan in einem Interview mit dem "Völkischen Beobachter" nach der Machtübernahme der Nazis zu deren Politik - und wechselt zur Regie. 1935 dreht er seinen ersten Film "Krach im Hinterhaus". Innerhalb von zwei Jahren folgen "Kater Lampe", "Der müde Theodor", "Maria, die Magd" und "Alles für Veronika". Der effektive und erfolgreiche Regisseur erhält vom NS-Regime Freiheiten und Geld: "Da hat er sich nämlich sozusagen von den Nazis bezahlen lassen, damit er seine Karriere machen kann", sagt sein Sohn Caspar Harlan rückblickend. Das sei der erste Fehler seines Vaters gewesen.

Veit Harlan wird der Star-Regisseur von Goebbels. Die beiden sehen sich regelmäßig, beruflich und privat. Harlan wird später des Teufels Regisseur genannt. Es ist ein schwieriges Verhältnis, erzählt Caspar Harlan. Die beiden schreien sich an und können doch nicht voneinander lassen. Gestritten wird über Drehbücher und das Parteibuch: Goebbels will, dass Harlan in die NSDAP eintritt, doch für den Regisseur ist das undenkbar.

Durchhalte-Film hat 1945 Premiere

Die Unterstützung der NS-Propaganda ist für Harlan jedoch kein Problem. Mit dem monumentalen Heldenepos "Der große König" (1941) über Friedrich II. glorifiziert er Patriotismus, Pflichterfüllung und nationale Opferbereitschaft. "Die Reise nach Tilsit" (1939) und "Die goldene Stadt" (1942) transportieren eine diffuse Furcht vor dem Fremden aus dem Osten. Kurz vor Kriegsende dreht Harlan den Durchhalte-Film "Kolberg", der im Januar 1945 Premiere hat und den dringenden Appell vermittelt, den Kampf bis zum Ende zu führen.

Nach Kriegsende versucht Harlan, seine Karriere fortzusetzen. Mit seinem ersten Nachkriegsfilm "Unsterbliche Geliebte" (1951) gelingt ihm zwar ein Comeback. Zugleich kommt es aber zu Gegendemonstrationen und Boykottversuche. Er dreht noch einige Filme mit seiner Frau, Kristina Söderbaum, die auch schon in "Jud Süß" mitgespielt hat. Der Erfolg bleibt allerdings aus. Schließlich wird der Regisseur nicht mehr beschäftigt. Mehrere Herzinfarkte schwächen ihn. Veit Harlan stirbt am 13. April 1964 während eines Urlaubs auf Capri. Für seine Beteiligung an der Judenverfolgung hat er bis zum Schluss keine Verantwortung übernommen.

Stand: 13.04.2014

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