"Brausender Jubel erfüllte die Kongresshalle, als Erich Honecker bekannt gab, dass der Verband der Jungen Pioniere gegenwärtig etwa 550.000 Mitglieder umfasse." So steht es 1949 in der Zeitung "Neues Deutschland" zu lesen. Für die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und ihr Parteiorgan ist die Massenorganisation bereits kurz nach ihrer Gründung ein voller Erfolg.
Zumindest für die Karriere Erich Honeckers ist die Organisation der Jugend in der DDR bis zum Mauerfall eine Erfolgsgeschichte. 1949 ist er Chef der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ); 40 Jahre später tritt er als erster Mann im Staat von der politischen Bühne ab. Seine Frau Margot ist da Leiterin des Volksbildungsministeriums. Zu Beginn ihrer DDR-Biografie ist sie als jüngste Abgeordnete der DDR-Volkskammer Vorsitzende der Jungen Pioniere.
Basteln, Singen, Fahne tragen
Die Gründungsfeier der Jungen Pioniere findet am 20. März 1949 im Berliner Friedrichspalast statt: ein halbes Jahr vor der Gründung der DDR. Offiziell besteht die Aufgabe der Jungen Pioniere von Anfang an darin, am Aufbau des real existierenden Sozialismus in der DDR mitzuwirken. In der Praxis sieht diese Arbeit aber harmloser aus. Zumeist werden bei offiziellen Anlässen Gedichte aufgesagt und Blumen überreicht. Ansonsten unterhält man sich mit zackigen Fahnenappellen zu offiziellen Anlässen wie dem Beginn des Schuljahrs oder staatlichen Feiertagen. Oder auf den so genannten Pioniernachmittagen, die in der Schule im Beisein der Lehrer abgehalten werden und nach strengem Ritual mit dem Pioniergruß "Für Frieden und Sozialismus" eröffnet werden.
"Wir Jungpioniere singen und tanzen, spielen und basteln gern", lautet dem entsprechend ein Gebot der Massenorganisation für Kinder, "Wir Jungpioniere lieben unsere Eltern" ein anderes. Tatsächlich aber geht es darum, schon Grundschüler mit einem "Wir"-Gefühl auf den Arbeiter- und Bauernstaat und seine Ideologie einzuschwören. Dabei ist der Karriereweg über die Jung- und Thälmannpioniere innerhalb der "Freien deutschen Jugend" die einzige Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, sich zu Gruppen zusammenzuschließen. Andere Jugendorganisationen sind in der DDR schlichtweg nicht zugelassen.
"Eins, zwei, drei – es lebe die Partei"
Zum "Wir"-Gefühl der Jungen Pioniere gehört auch eine Art Uniform. Neben einer weißen Bluse trägt der Jungpionier bis zur vierten Klasse ein blaues Halstuch, um dann anschließend mit einem roten Halstuch zum "Thälmannpionier" aufzusteigen. Ein Pionierausweis mit Namen, Foto, Adresse und Stempel enthält auch einige Gebote der Gruppe, zu denen die Liebe zum Frieden, zum Sozialismus, zur Armee und den kommunistischen Nachbarn zählen. Auch sonst werden die Pioniere immer wieder angehalten, sich zu verpflichten – und sei es nur dazu, älteren Menschen über die Straße zu helfen oder Altglas zu sammeln.
Vor allem aber geht es bei den Jungen Pionieren darum, die Staatsmacht zu bejubeln. "Eins, zwei, drei – es lebe die Partei" lautet einer ihrer Sprüche. Dies tun sie 40 Jahre lang unablässig – bis der von ihnen besungene, bedichtete und betanzte real existierende Sozialismus sang- und klanglos untergeht.
Stand: 20.03.2014
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