Mitte des 19. Jahrhunderts droht London der totale Verkehrsinfarkt. Mehr als drei Millionen Menschen leben in der rasant wachsenden Kapitale des British Empire. Täglich verursachen Fuhrwerke, Pferdeomnibusse, Droschken und Fußgänger ein halsbrecherisches Chaos auf den Themsebrücken und in den engen Straßen. Schwere Unfälle sind an der Tagesordnung; allein 1866 registriert die Polizei 102 Verkehrstote in der Londoner City.
Besonders am Glockenturm Big Ben, wo sich der Verkehr von der Westminster Bridge auf den Platz vor dem Parlament ergießt, kommt es regelmäßig zum Crash. Die Abgeordneten gelangen oft nur unter Lebensgefahr zum Regierungssitz. John Knight, dem Chef der South Eastern Eisenbahngesellschaft, liegt die Sicherheit der Parlamentarier am Herzen und erfindet zu ihrem Schutz die erste Verkehrsampel der Welt.
Ernste Bedienungsprobleme
Knight entwirft einen Signalmast mit den Farben Rot und Grün. Die stammen aus der Schifffahrt, wo sie Backbord und Steuerbord kennzeichnen, haben sich aber auch im Schienenverkehr als Signalfarben bestens bewährt. Knights Idee überzeugt, und so wird am Parliament Square eine acht Meter hohe Säule errichtet. An der Spitze befindet sich eine drehbare Gaslaterne mit roten und grünen Lichtern für den Nachtbetrieb. Tagsüber geben zwei große, mechanische Arme wie ein riesiger Schutzmann die Signale.
Ein echter Polizist bedient am Fuß der Säule einen Hebel, um dem Verkehr das gewünschte Zeichen zu zeigen: Rot bedeutet "Stopp" und Grün "Vorsicht". Mit 10.000 Flugblättern instruiert der Polizeipräsident die Londoner über die Bedeutung des "Street Crossing Signal", das am 10. Dezember 1868 den Betrieb aufnimmt. Die neue Verkehrsregelung wird schnell akzeptiert, doch die Bedienung macht ernste Probleme. "Mehr als einmal ist es in Verbindung mit der Straßensignal-Säule (…) zu Gasexplosionen gekommen", berichtet die "Times" kaum einen Monat später.
Der "Leuchtturm vom Potsdamer Platz"
Noch im Januar 1869 ereignet sich ein schwerer Unfall. Als der diensthabende Polizist das Gas abdreht, kommt es erneut zur Explosion; eine Stichflamme verbrennt dem Bobby das Gesicht. Die erste Ampel der Welt wird sofort abgeschaltet und London verzichtet ein halbes Jahrhundert lang auf weitere Versuche, das Verkehrschaos mit Signalanlagen zu regeln.
Die erste elektrisch betriebene Ampel wird im August 1914 im amerikanischen Cleveland errichtet. Acht rote und grüne Lampen signalisieren dort Fußgängern und Autofahrern abwechselnd "Stopp" und "Go". Gelb gibt es noch nicht, deshalb kündigt eine Glocke den Farbwechsel an - ein Konzept, das bald vom lärmenden Verkehr überholt wird.
Zehn Jahre später bricht auch in Deutschland das Ampel-Zeitalter an. Auf dem Potsdamer Platz in Berlin, damals Europas verkehrsreichster Platz, ist das Getümmel kaum noch zu bändigen. Auf einem Hochstand mitten im Gewühl platziert, muss sich ein Schutzmann mit einer Trompete Gehör verschaffen. 1924 wird der von den Berlinern zum "Posaunenengel" beförderte Beamte von einem drei Meter hohen, quadratischen Ampelturm abgelöst. Heute erinnert ein Replikat an den ersten "Leuchtturm vom Potsdamer Platz".
Stand: 10.12.2013
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