"Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien" heißt der Schlager, der in der Karnevalssession 1948/1949 zum Hit wird. Komponiert hat ihn der Kölner Karl Berbuer. Mit "Trizonesien" bezeichnet er das Gebilde aus amerikanischer, französischer und britischer Besatzungszone - aus dem später die Bundesrepublik entsteht. Die Idee für das Lied hat der gelernte Bäckermeister 1947. Er sitzt in der Nähe des Kölner Doms in einem Restaurant, als dort über die sogenannte Bizone gesprochen wird. So wird damals die vereinigte amerikanische und englische Zone bezeichnet. Jemand aus der Runde spricht von "Bizonesien". Berbuer vermutet, dass es wohl bald zu einem Zusammenschluss mit der französischen Zone kommen werde, und kreiert das Wort "Trizonesien".
Ärger bei den Alliierten
"Mein lieber Freund, mein lieber Freund, die alten Zeiten sind vorbei, ob man da lacht, ob man da weint, die Welt geht weiter", heißt es im ersten Vers des "Trizonesien-Songs", den Berbuer zum Karnevalsauftakt am 11. November 1948 der Öffentlichkeit vorstellt. "Ein kleines Häuflein Diplomaten macht heut die große Politik, sie schaffen Zonen, ändern Staaten." Der Text ist eine versteckte Anklage gegen die Besatzungsmächte, die offenbar nicht als Befreier vom Nationalsozialismus, sondern als eine Art Kolonisatoren empfunden werden. Die sowjetrussische Zeitung "Prawda" und die englische "Times" reagieren prompt: Die Deutschen würden wieder frech - nach dem von ihnen angezettelten und verlorenen Zweiten Weltkrieg.
In einem weiteren Vers wird dem "fremden Mann" beschieden, dass ein Trizonesier Humor, Kultur und Geist habe: "Selbst Goethe stammt aus Trizonesien, Beethovens Wiege ist bekannt. Nein, sowas gibt's nicht in Chinesien, darum sind wir auch stolz auf unser Land." Im Refrain heißt es weiter: "Wir sind keine Menschenfresser, doch wir küssen um so besser." Diese Selbstsicht stößt auf Kritik, da sie wenige Jahre nach dem Holocaust so wirkt, als ob die Mitschuld der normalen Deutschen an der Judenvernichtung durch Nationalstolz relativiert werden soll.
Ersatz für Nationalhymne
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg ist Bäckergeselle Berbuer 1924 durch ein ähnliches Lied während des Karnevals bekannt geworden. Damals haben die Besatzungstruppen jede karnevalistische Betätigung verboten. Daraufhin singt Berbuer einen "Trotzdem-Schlager". Der Refrain lautet: "Ihr kriegt uns nicht kapott, kapott!" Der Kölner Liedermacher stellt aber anscheinend auch während der Nazi-Zeit Autoritäten in Frage: Wie Berbuer 1966 der "Kölnischen Rundschau" erklärt, begrüßten sich im "Dritten Reich" viele Kölner mit "Heidewitzka", um den obligaten Hitler-Gruß zu vermeiden. Er habe das Schlagwort aufgegriffen und 1936 im den Karnevalshit "Heidewitzka, Herr Kapitän" verarbeitet.
Als der "Trizonesien-Song" Ende der 1940er Jahre Furore macht, gibt es noch keine deutsche Nationalhymne. Das Deutschlandlied ist verboten. Darum wird Berbuers Lied auf internationalen Sportveranstaltungen in Köln als Ersatz gespielt.
Stand: 11.11.2013
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