Im Jahr 1905 lässt ein Junge namens Frank Epperson auf der Veranda seines Elternhauses in San Francisco ein Glas mit Limonade stehen, die er sich kurz zuvor mithilfe eines hölzernen Rührstabs aus Brausepulver und Wasser zusammengemixt hat. Nachts sinken die Temperaturen unter Null, und als Epperson sich wieder an sein Limonadenglas erinnert, ist das klebrige Zeug draußen um den Stiel festgefroren.
Sauber Schlecken
Es dauert 18 Jahre, bis Epperson das frostige Erlebnis seiner Kinderzeit wieder in den Sinn kommt. Jetzt aber erkennt er in der Limonade am Löffelstiel eine schützenswerte Geschäftsidee. 1923 lässt er sich das am Stiel Festgefrorene als "fortschrittliche Methode, gefrorene Süßware in attraktiver Form und angebrachter Weise verzehren zu können, ohne sie dabei durch Kontakt mit Hand, Teller, Gabel oder Sonstigem beschmutzen zu müssen", patentieren.
Ebenfalls 1923 hat Eppersons Landsmann Harry Burst die Idee zu gefrorenem Vanilleeis mit Schokoladenüberzug am Holzstiel – und liefert damit gleich die bis heute neben Fruchteis gültige Lieblingskombination der eisschleckenden Menschheit.
30.000 Eis am Stiel pro Tag
Der Gedanke, sich gefrorenes Eis auf der Zunge zergehen zu lassen, entsteht wohl im antiken China. Aber auch die Griechen und Römer versetzten Schnee mit Honig oder Früchten. Im 16. Jahrhundert gelingt es, Speiseeis in größeren Mengen herzustellen. Dann dauert es weitere 300 Jahre, bis sich die frostige Delikatesse für Betuchte dank verbesserter Gefriertechnik zum Verkaufsschlager für die Massen entwickeln kann. Dank Eppersons und Bursts Erfindung schließlich wird die Köstlichkeit 1923 mobil und überall genießbar.
Nach Deutschland gelangt Eis am Stiel bereits ein Jahr später als "Steckerl-Eis" für Kinder. In den fünfziger Jahren wird das heimische Eis am Stiel aus der 50er Kühltruhe zum ebenso kühlen wie flüchtigen Statussymbol der Wirtschaftswunderjahre. Heute produzieren High-Tech-Maschinen bis zu 30.000 Eis am Stiel pro Tag. Das tut auch bitter Not: Inzwischen nämlich vertilgen allein die Deutschen jedes Jahr eine Milliarde Exemplare: durchschnittlich zwölf Eis am Stiel pro Kopf.
Stand:09.10.2013
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