Benz Victoria Vis-à-vis, 1. Taxi der "Motorwagen-Fahr-Verkehr" 1893

Stichtag

17. September 1893 - Erstes deutsches Taxi-Unternehmen gegründet

Im April 1893 erlebt Friedrich Lutzmann, dass Fortbewegung auch ohne Pferd möglich ist. Der Kunst-Schlossermeister repariert in Dessau die herzoglichen Kutschen, als der erste Benz-Wagen erscheint, der Benz Viktoria. "Der fuhr noch mit Gestank und Geratter!", sagt Manfred Riedel, 88 Jahre alt und Enkel von Friedrich Lutzmann. Der Großvater bestellt also einen Wagen in Mannheim und nimmt ihn auseinander, bis er ihn in- und auswendig kennt. "Manchmal hat er mehr unterm Wagen gelegen als auf dem Wagen gesessen", sagt Enkelsohn Riedel über seinen Großvater.

Pferdedroschken gegen Motordroschken

Um Erfahrungen für den Bau eines eigenen Autos zu sammeln, nimmt Lutzmann am 17. September 1893 den ersten Motorwagen-Fahrverkehr auf, zwischen Dessau-Oranienbaum und Wörlitz, rund 15 Kilometer. Mit seinem Benz rollt die erste Droschke Deutschlands, die ohne Pferd auskommt. "Und manch einer hat gesagt: Lass mich doch auch einmal mitfahren. Und mein Großvater: Na gut, wie viel gibst du mir dafür? Es gab keinen vorgeschriebenen Preis", erinnert sich Manfred Riedel. Einen Taxameter, dem das Taxi seinen Namen zu verdanken hat, benutzt Lutzmann noch nicht, obwohl er teilweise schon bei Pferdedroschken zum Einsatz kommt.

Autopionier Friedrich Lutzmann baut 1894 sein erstes eigenes Auto und entwickelt zahlreiche Patente zur Verbesserung der Technik. Die Idee, Pferdedroschken zu motorisieren, führt zu einem ganz neuen Wirtschaftszweig - und zum Untergang der Droschkenkultur. 1913 wird zum Beispiel die Bonner Taxigenossenschaft gegründet – von zehn Pferdedroschkenbesitzern, die auf Motortaxen umstellen. Natürlich sind die Besitzer der Pferdedroschken jenen der Motordroschken spinnefeind.

"Das ganze Leben auf engstem Raum"

In der Weimarer Republik gründen die Automobilhersteller eigene Droschkengroßbetriebe, aber schnell sind mehr Taxen da als Kunden. Der Bonner Taxiunternehmer Claus Trautmann kennt das Problem, über 300 Taxen buhlen hier heute um die Fahrgäste. "Die Leute haben weniger Geld in der Tasche und fahren nicht mehr so locker Taxi, wie es in anderen Zeiten üblich war." Die Benzinpreise steigen, die Zahl der Fahrgäste sinkt – und mit ihr die Zahl der Wagen. Der Taxifahrer Marco Roitzheim fährt trotzdem seit 23 Jahren mit Herzblut. Er ist Taxifahrer in der Nähe von Frankfurt, wo Manfred Riedel lebt, der Enkel des Taxipioniers. "Man erlebt, dass man am Heiligabend einen Menschen abholt, der gerade Vater geworden ist. Und man erlebt ebenso, dass man jemanden vom Krankenhaus abholt, der gerade einen geliebten Menschen verloren hat. Man bekommt alles mit - das ganze Leben auf engstem Raum", sagt Roitzheim.

Stand: 17.09.2013

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.