Die zweite Belagerung Wiens durch die Türken Ende des 17. Jahrhunderts ist vor allem auch ein brutaler Psychokrieg. Denn die Aggressoren treiben von draußen Stollen unter die Stadtmauern und legen Sprengkammern mit Minen an. Dann mauern sie die Kammern zu, damit der Druck der Explosion ungebremst nach oben geht und die Soldaten zerfetzt.
Um dies zu verhindern, müssen Spähtrupps ständig suchen, wo die Türken gerade graben. Mit Trommeln und Erbsen ziehen sie durch Wiens Kellergewölbe. Beginnen die Erbsen auf der Bespannung zu tanzen, dann ist dies ein Indiz für Unterminierungsarbeiten.
Dann bringen die Belagerten Gegenminen an. Wenn die türkischen Sprengkammern noch nicht verschlossen sind, jagt die gesamte Wucht der Detonation durch den Stollen nach draußen und schädigt die Belagerer.
Einfallstor ins restliche Europa
1683 erstreckt sich das Osmanische Reich von Algier bis Mekka und von Kairo über Istanbul bis Budapest. Aber die Ordnung bröckelt: Der Sultan sucht Rettung in der Expansion nach Westen. Wien gilt dabei als strategisch wichtiges Einfallstor ins restliche Europa.
1529 sind die Türken mit der Belagerung Wiens aufgrund von Nachschubproblemen bereits einmal gescheitert. Der zweite Versuch unter dem Oberbefehl von Großwesir Kara Mustafa 1683 soll erfolgreicher sein. Die Chancen, die grüne Fahne des Propheten in der Stadt wehen zu sehen, stehen günstig: Kurz zuvor hat sich das protestantische Ungarn vom österreichischen Kaiser Leopold I. losgesagt und die Türken um Hilfe gebeten. Auch Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. signalisiert Sympathien für einen Angriff gegen den verhassten Kaiser.
Die Gier des Großwesirs
Großwesir Kara Mustafa kommt mit einer gewaltigen Streitmacht. 60.000 Wiener fliehen, auch der Kaiser verlässt die Stadt. Nur 16.000 Verteidiger bleiben zurück. Im Juli 1683 erreichen 100.000 Soldaten mit Pferden und Kamelen Wien; 15.000 davon sind ausgebildete Mineure.
Dann aber formiert sich endlich im Westen der Widerstand. Papst Innozenz XI. gelingt es, ein katholisches Bündnis mit Polen, Bayern, Sachsen und Schwaben zu formieren. Der polnische König Jan Sobieski wird zum Heerführer bestimmt. Am 12. September 1683 treffen seine Truppen auf dem Kahlenberg an der Donau ein und nehmen die unweit entfernt lagernden Türken unter Beschuss. Dann stürmt die Kavallerie in die Ebene.
Der Kampf steht lange Zeit auf Messers Schneide, aber Großwesir Kara Mustafa ist von Siegesgier besessen. Anstatt seine Truppen zusammenzuhalten, teilt er sie auf: Eine Gruppe soll das Entsatzheer schlagen, eine andere die Stadt erobern. Am Ende der Schlacht am Kahlenberg sind 50.000 osmanische Soldaten tot. Der Großwesir kann fliehen, muss sich auf Befehl des Sultans aber selbst strangulieren. Die Expansion des osmanischen Reiches ist gestoppt.
Stand: 12.09.2013
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