Im Juni 1942 brechen 10.000 Soldaten der 8. US-Luftflotte auf einem umgebauten Luxusliner vom New Yorker Hafen aus nach England auf, um die Invasion der Alliierten in der Normandie vorzubereiten. In den kommenden Monaten werden ihnen Millionen folgen – und lange auf ihren Einsatz warten: gepaart mit Heimweh und Langeweile. Wie, so muss sich die US-Militärführung bald schon fragen, kann man die Truppe bei Laune halten? Das Radio ist da eine adäquate Möglichkeit.
Zunächst aber bleibt den amerikanischen Soldaten in Großbritannien offiziell nur das Programm der BBC. Das aber finden die meisten eher öde. Schon bald vermissen sie die Hits der Heimat. Als Ersatz bietet sich ihnen ausgerechnet ein deutscher Schlager: "Lili Marleen" von Lale Andersen. Der aber läuft nur auf Radio Belgrad - ein nationalsozialistischer Soldatensender, der mit schwungvoller Musik auch Propaganda transportiert.
Stars treten kostenlos auf
Auch wenn sich die demokratisch gesinnten US-Soldaten von den Parolen aus Hitler-Deutschland nicht beeindrucken lassen, sieht Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, doch Handlungsbedarf. Er gibt den Befehl aus, aus dem Stegreif einen Soldatensender zu gründen – fast ohne Geräte und ohne Budget. Das erste Studio wird im Keller der amerikanischen Botschaft eingerichtet. Am amerikanischen Nationalfeiertag, dem 4. Juli 1943, geht American Forces Network (AFN) in London erstmals auf Sendung.
Zunächst werden die meisten Sendungen in den USA produziert – darunter auch die beliebte Wunschsendung "Command Performance", für die Stars wie Bob Hope oder Marlene Dietrich kostenlos ihre Zeit zur Verfügung stellen. Auf Schallplatten gedruckt, werden die Aufzeichnungen dann nach London verfrachtet. So kommt bei den Soldaten genau die Musik an, die sie wollen. Und sie bekommen nur gute Laune: Im Unterschied zu anderen US-Sendern wie "Voice of America" oder "Radio Free Europe" verzichtet AFN auf Propaganda.
"Doch AFN ist weit"
Nach der Invasion der Alliierten in der Normandie 1944 übersiedelt auch AFN aufs Festland. Am Ende des Zweiten Weltkriegs beschäftigt der Sender 700 Mitarbeiter und hat 63 Stationen in Westeuropa. Zentrales Hauptquartier wird Höchst bei Frankfurt am Main, die stärkste Sendeanlage funkt von München aus. So erreicht AFN 50 bis 60 Millionen Zuhörer in Europa und ganz Afrika. Unter jungen Deutschen sind vor allem die Sendungen "Midnight in München" oder "Bouncing in Bavaria" beliebt.
Zu den großen Freunden von AFN gehört in der Nachkriegszeit auch Wolfgang Ibbing, der seinen Spitznamen "Teddy" der amerikanischen Modeerscheinung der "Teddy-Boys" aus den 50er Jahren verdankt. Mit seiner Band "Truck Stop" setzt er der Musik des amerikanischen Soldatensenders 1980 im Song "Der wilde wilde Westen" ein Denkmal: "Ich möchte so gern Dave Dudley hör'n, / Hank Snow und Charlie Pride, / 'nen richtig schönen Countrysong, / doch AFN ist weit". Zu dieser Zeit ist AFN nur noch in Süddeutschland zu empfangen.
In den folgenden Jahren werden immer mehr Sender auch in Deutschland abgebaut. Momentan versorgt AFN mit kleineren Stationen nur noch Kaiserslautern, Spangdahlem, Wiesbaden, Kaiserslautern und etwas weiträumiger Gebiete Bayerns.
Stand: 04.07.2013
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. Juli 2013 ebenfalls an die Gründung des Senders AFN. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.