Stichtag

5. Mai 1923 - Guss der St. Petersglocke für den Kölner Dom

Mit einem wahren Großauftrag wendet sich die Kölner Bürgerschaft 1922 an den Glockengießer Heinrich Ulrich. Als Ersatz für die 1918 eingeschmolzene "Kaiserglocke" soll Ulrichs Gießerei im thüringischen Apolda einen Glocken-Goliath für ihren Dom herstellen: "St. Peter", die mit 322 Zentimetern Durchmesser und einem Gewicht von 24 Tonnen größte freischwingende Glocke der Welt. 

Der Zeitpunkt des Auftrags erweist sich als ungünstig. Nach dem Weltkrieg mangelt es der Gießerei an der nötigen Holzkohle, und die zur Finanzierung der Glocke aufgebrachten 1,2 Millionen Reichsmark werden von der Inflation verschlungen. Das Reich und Kölns Bürger müssen noch einmal 90 Millionen Mark nachschießen, bis Meister Ulrich Anfang Mai 1923 den Guss der St. Petersglocke in Angriff nehmen kann.

Zu groß für das Domportal

Mehr als zwei Tage und Nächte vergehen, bis sich das Metall in der Glut von 50 Kubikmetern Fichtenholz bei 1.400 Grad verflüssigt hat. Am 5. Mai 1923 kann Ulrich die Schmelzöfen öffnen; fast zehn Minuten lang schießt der glühende Bronzestrom in die tönerne Gussform. Nun heißt es zwei Wochen banges Warten, bis das Metall erkaltet ist. Erst als die Form abgeschlagen wird, hat Heinrich Ulrich die Gewissheit: Der Guss ist gelungen, die Glocke erklingt in einem klaren tiefen C. Die Kölner müssen auf die Ankunft ihres kostspieligen Klangstars aber noch einmal anderthalb Jahre warten.

Zu groß ist die Gefahr, dass die an Rhein und Ruhr einmarschierten Franzosen die wertvolle Glocke als Reparation einkassieren. Erst im November 1924 trifft "St. Peter", op kölsch "de Decke Pitter", per Eisenbahn in Köln ein. Hier taucht ein neues Problem auf: Die Glocke passt nicht durchs Domportal. Ein Mittelpfeiler muss entfernt werden, damit die Glocke an ihren Platz im 50 Meter hoch gelegenen Glockenstuhl gehievt werden kann. Am Heiligenabend erschallt sie erstmals über der Domstadt. Nach drei Schlägen reißt das Glockenseil.

Autohaus mit Riesenglocke

Zwei schwere Jahrzehnte erwärmt die Petersglocke danach den Kölnern an hohen Festtagen Herz und Seele. Auch von Tod und Wahl eines Papstes und dem Ableben des Kölner Erzbischofs erfährt die Stadt durch ihr Geläut. 1951 bekommt sie einen tiefen Riss. Jahrelang müssen die übrigen sieben Glocken des Doms allein Dienst tun. Zuletzt sorgt der "decke Pitter" 2011 weltweit für Aufsehen. Am Dreikönigstag schallt sein mächtiger Klang erst wie gewohnt durch den Dom. Plötzlich erschreckt ein dumpfes Krachen die Gläubigen und St. Peter ist mit einem Schlag verstummt. Der 800 Kilo schwere Klöppel hat sich gelöst und den Holzboden der Glockenstube durchschlagen.

Seit dem Klöppelsturz zu Köln steigen noch mehr Menschen aus aller Welt in den Südturm des Doms, um den wuchtigen Rekordhalter zu bewundern. "Der 'decke Pitter' ist berühmter als er es rein physikalisch-musikalisch vielleicht verdient hätte", meint, nicht ohne Stolz, Dompropst Norbert Feldhoff. Stolz auf "ihre" Glocke sind auch die Einwohner von Apolda. Eine Nachbildung in Originalgröße steht dort vor einem Autohaus.

Stand: 05.05.2013

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