Stichtag

28. April 1918 – Karl-Eduard von Schnitzler wird geboren

Karl-Eduard von Schnitzler geht es nicht um Effekthascherei, sondern um Information. Davon jedenfalls ist der Kommentator der DDR-Fernsehsendung "Der schwarze Kanal" überzeugt. Kritiker sehen das anders. Für sie polemisiert, giftet und wütet Schnitzler in seiner Sendung auf eine Art und Weise über das Westfernsehen, die jeglicher Objektivität entbehrt.

Schnitzler aber fühlt sich im Recht. Für ihn geht die Propaganda vom Klassenfeind Bundesrepublik Deutschland aus - und diese Propaganda gilt es mit allen Mitteln zu entlarven. "Der Klassenfeind wird nicht mit Schonung rechnen dürfen", sagt Schnitzler. Und: Gemessen am antisozialistischen Ton der Westmedien "ist unsere Sprache immer noch die eines höheren Töchterpensionats".

Kommunist trotz "Sippschaft"

Geboren wird Schnitzler am 28. April 1918 in Berlin. Für ihn ist das "kein denkwürdiger Tag", wie er in seinen Erinnerungen schreiben wird: Ein Leben lang wird er mit seiner teils großbürgerlichen, teils adeligen Abstammung hadern. Sein Vater arbeitet als Diplomat und wird vom Kaiser in den Adelsstand erhoben, seine Verwandtschaft besteht aus Baronen, Unternehmer und Bankiers, die er später für den Aufstieg Adolf Hitlers verantwortlich machen wird: "Trotz dieser Sippschaft bin ich Kommunist geworden."

Antifaschistisch eingestellt ist Schnitzler schon als Gymnasiast: 1933 wird er von den Nationalsozialisten als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend verhaftet und in Verhören schikaniert. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium in Freiburg und einer kaufmännischen Lehre in Köln wird er 1939 eingezogen. Anfang der 40er Jahre sucht er als Wehrmachtssoldat die Nähe zur Résistance, wird abermals verhaftet und nach seiner Flucht aus der Untersuchungshaft 1944 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Im selben Jahr gerät er in britische Kriegsgefangenschaft und wird von der BBC als Kommentator in einer Propagandasendung eingesetzt.

Der geplatzte Traum

Nach dem Krieg verdingt sich Schnitzler zunächst beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln und Hamburg. 1947 wird er nach eigener Aussage wegen "kommunistischer Propaganda" entlassen und findet seine Bestimmung als Chefkommentator beim Deutschen Fernsehfunk in Ostberlin. 1960 erscheint er erstmals als Gesicht des "Schwarzen Kanals" auf dem Bildschirm. 1.500 Mal ist er in der Folge jeweils montags zu sehen und zieht über die Nachrichten, Interviews, Moderationen, Kommentare und Filme im seiner Meinung nach menschenverachtenden Kapitalismus her.

"Die treuen 17 Millionen Bürger der DDR feierten den 40. Geburtstag ihres Staates", kommentiert Schnitzler 1989 im Fernsehen: Obwohl angeblich "isoliert, wie Klugscheißer in westlichen Gazetten orakeln", habe er eine DDR gesehen, die "vor Gästen und Festen nur so platzte". Da ist der real existierende Sozialismus ebenso wie Karl-Eduard von Schnitzlers Karriere längst am Ende. "Der schwarzen Kanal" wird noch vor dem Mauerfall eingestellt. Schnitzler stirbt 2001 im brandenburgischen Zeuthen.

Stand: 28.04.2013

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. April 2013 ebenfalls an Karl-Eduard von Schnitzler. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.