Stichtag

28. Februar 1983 – Bundeskleingartengesetz wird erlassen

Im 19. Jahrhundert steht es um die Volksgesundheit schlecht. Vor allem Arbeiterkinder in der Großstadt leiden an den Folgen der Industrialisierung. Tuberkulose, Rachitis und Unterernährung sind auch in Deutschland an der Tagesordnung. Zudem ergibt eine Untersuchung an Berliner Volksschulen, dass viele Kinder noch nie in ihrem Leben einen Frosch, eine Schnecke – oder gar einen Sonnenaufgang – gesehen haben.

Der Leipziger Arzt und Hochschullehrer Daniel Gottlob Moritz Schreber ist wohl der erste, der die Idee hat, die Natur einfach in die Großstadt hineinzuholen. Neben einer "systematischen Heilgymnastik", die die Folgen der Fabrikarbeit lindern soll, wirbt er für "Armen- und Specialgärten". Der Leipziger Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild greift den Gedanken 1865 auf und errichtet erste Wiesen mit Beeten im Umfeld seiner Schule. Aus den "Kinderbeeten" werden schnell "Familienbeete". 1869 gehen die inzwischen etwa 100 Parzellen in die Hände der Eltern über. Die Idee des Schrebergartens nimmt Gestalt an.

Gärten mit "Behelfsheim"

Im 20. Jahrhundert entsteht in allen deutschen Großstädten eine in Vereinen organisierte Schrebergarten-Kultur, die bald schon überlebenswichtig wird. Im Umfeld der Mietskasernen treiben Obst- und Gemüsebau ihre Blüten; daneben halten sich viele Schrebergärtner Hühner, Ziegen oder Schweine in kleinen Schuppen. 130.000 dieser Gärten soll es in Deutschland während des Ersten Weltkriegs gegeben haben; ein komplexes Geflecht aus Sonderbestimmungen regelt ihre Existenz. Nach dem Zweiten Weltkrieg dient die Laube vielen ausgebombten Bürgern als schützendes Dach über dem Kopf. "Behelfsheime" werden die Schuppen nun genannt.

Zur Zeit des Wirtschaftswunders aber haben die Schrebergärten nicht nur Freunde. Vor allem Immobilienspekulanten, die den wertvollen Baugrund in bester Stadtlage sehen, sind die Parzellen ein Dorn im Auge. In den fetten Jahren, in denen die Schrebergärten nicht mehr der gesunden Ernährung, sondern dem Planschen, Sonnen und Entspannen dienen, scheint der Schrebergarten seinen Nutzen verloren zu haben. Tatsächlich erklärt das Bundesverfassungsgericht die Schrebergarten-Sonderregelungen 1979 für verfassungswidrig und fordert gesetzliche Nachbesserungen. Immer mehr Verpächter sprechen Kündigungen aus oder verlangen unbezahlbare Mieten.

Heckenhöhe: 1,25 Meter

Am 28. Februar 1983 tritt deshalb das Bundeskleingartengesetz in Kraft. Es definiert den Kleingarten als Parzelle "zur nichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf" sowie zur Erholung, die in einer speziellen, gemeinnützig verwalteten Kleingartenanlage liegt und nicht mehr als 400 Quadratmeter haben darf. Die zugehörige Laube darf nicht dauerhaft bewohnt werden. Die Kleingartenanlage muss zudem jedermann öffentlich zugänglich – und in voller Pracht jederzeit sichtbar – sein. Deshalb beschränkt das Gesetz die Heckenhöhe auf 1,25 Meter.

Vor allem aber gibt das Bundeskleingartengesetz den Gärtnern Sicherheit. Denn die Pacht darf höchstens vier Mal so hoch wie diejenige für den erwerbsmäßigen Obst- und Gemüsebau sein. Durchschnittlich sind das rund 17 Cent für den Quadratmeter jährlich; in Teilen Brandenburgs sind es sogar nur etwa acht Cent.

Stand: 28.02.2013

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