Im englischen Königshaus läuft die Krönung der Herrscher seit Jahrhunderten nach einem festen Protokoll ab. Ein Bestandteil der Zeremonie sind die "Coronation Anthems" ("Krönungshymnen"): Orchesterwerke, die ursprünglich für die Aufführung in der Kirche geschrieben wurden. Das wohl bekannteste Anthem, wie diese Musik genannt wird, stammt von Georg Friedrich Händel. Er ist im Februar 1723 von König Georg I. zum "Composer of Musick for his Majesty's Chapel Royal" ernannt worden.
Den Auftrag für die Krönungsanthems erhält Händel jedoch von dessen Nachfolger: Nach dem Tod von Georg I. im Juni 1727 kommt Georg II. an die Macht. Händel komponiert vier Anthems, die am 11. Oktober 1727 beim Krönungsgottesdienst für Georg II. in der Westminster Abbey uraufgeführt werden. Die Feier war ursprünglich für den 4. Oktober angekündigt worden, musste aber wegen einer drohenden Sturmflut verschoben werden. Die Texte der Anthems entstammen alle dem Alten Testament.
"Zadok the Priest"
Auch nach der Krönungszeremonie werden die "Coronation Anthems" bei Konzerten in London und der Provinz gespielt - mit großem Erfolg. Die populärste der vier barocken Hymnen ist seit der Uraufführung "Zadok the Priest". Noch bekannter wird diese Komposition durch die Entscheidung, sie auch bei der Krönung von Georg III. im Jahr 1760 zu verwenden. Seither wird bei jeder Krönung eines englischen Monarchen dieses Stück von Händel gespielt.
Händel selbst ist von seiner Komposition so angetan, dass er sie gleich mehrfach verwertet. Über sein "Erstes englisches Oratorium" schreibt der deutsch-britische Komponist: "Die Musik wird nach Art der Krönungsanthems aufgebaut sein." Aber auch andere lassen sich inspirieren: Der Choral "Britannia rules the Sea" stammt aus der Oper "Alfred" von Thomas Augustine Arne, einem jüngeren Kollegen Händels. Da England unter Georg II. zur Weltmacht aufsteigt und er am Ende seiner Amtszeit "Good King George" genannt wird, hat der britische Patriotismus zu dieser Zeit Hochkonjunktur.
"Die allerbesten Mannschaften"
Die Beliebtheit von Händels "Zadok the Priest" bringt den englischen Filmmusiker Tony Britten 1992 auf eine Idee. Als die UEFA eine Erkennungsmelodie für die Champions League, die Königsklasse im europäischen Fußball sucht, schickt er seine Agentin mit der bekannten Krönungsmelodie zum Fußballverband. Daraufhin bekommt er den Auftrag.
Britten kupfert zentrale Motive bei Händel ab, arrangiert die Hymne um und gibt ihr einen neuen Text - in den drei offiziellen UEFA-Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch. Heraus kommt ein dreiminütiger Lobgesang, der vom Royal Philharmonic Orchestra aufgeführt und vom Chor der Academy of St. Martin in the Fields gesungen wird: "Es sind die allerbesten Mannschaften!" Seither hat die Champions League ein pompöses Vorprogramm: Wie bei jeder britischen Königskrönung erklingt nun Händel vor jedem Spiel der Champions League - zumindest in abgewandelter Form.
Stand: 11.10.2012
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