Stichtag

23. Juli 1562 – Todestag des Götz von Berlichingen

"Da schrie der Amtmann oben heraus, da schrie ich wieder zu ihm hinauf, er sollte mich hinten lecken ..." In seinen Lebenserinnerungen drückt sich der über 80-jährige Ritter Götz von Berlichingen geradezu vornehm aus, als er sich an einen Streit mit dem Mainzer Amtmann in Krautheim erinnert. Goethe macht daraus in seinem Schauspiel "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" von 1773 das berühmte Götz-Zitat: "Vor Ihro Kayserliche Majestät, hab ich, wie immer schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsche lecken!" Wohlgemerkt im Arsch, nicht am Arsch. Tatsächlich hat der rauflustige Ritter Götz von Berlichingen in seinem Leben über 30 große und kleine Fehden geführt. Zimperlich war er nicht, konnte hauen und stechen, sengen und brennen, drohen und erpressen. Von Berlichingens Ehrenrettung: "Die Fehde war ein ganz legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Rechtsansprüche", so der Historiker Dr. Kurt Andermann vom Generallandesarchiv in Karlsruhe. Das Pech des Götz von Berlichingen: Als er etwa 15 Jahre alt ist, wird auf dem Reichstag zu Worms der "Ewige Landfriede" beschlossen. Einen Streitfall entscheidet ab 1495 nicht mehr das Faustrecht, sondern das Reichskammergericht; ein jahrhundertealtes Adelsprivileg bröckelt.

Hand ab, Prothese dran

Der junge Götz von Berlichingen versucht es zunächst mit dem Fürstendienst. Für den Markgrafen von Ansbach zieht er in die Schlacht und verliert dabei seine rechte Hand. Seine eigenen Leute schießen sie ihm weg, sozusagen im friendly fire. "Da schießt mir einer mit einer Feld-Schlangen den Schwert-Knopf entzwei und hat mir die Hand herabgeschlagen, dass der Arm hinten und vorne zerschmettert war und wie ich das so sehe, so hängt die Hand noch ein wenig an der Haut. Ich tat, als wäre mir nichts geschehen, wandte den Gaul und kam ungefangen von den Feinden hinweg zu meinem Haufen zurück", schreibt er in den Lebenserinnerungen. Von Berlichingen lässt sich die berühmte Prothese schmieden, eine mit einem künstlichen Mechanismus versehene Eisenhand, die am Unterarmstumpf festgeschnallt wird. Mit Hilfe von Zahnrädern kann er die Stellung der Finger fixieren und angeblich wieder ein Schwertgriff umklammern und kämpfen. Er beschließt, Landfriede hin oder her, das einträgliche Fehdehandwerk zu professionalisieren, anstatt für andere Herrscher Kopf oder Hand hinzuhalten. Der Historiker Kurt Andermann sagt: "Dass er die alte Lebensform des Adels verteidigen wollte, das ist ganz zweifellos sein zentrale Anliegen."

Ritter sind Störfaktoren in Territorien der Fürsten

Denn in der Frühen Neuzeit werden die Ritter einerseits vom erstarkenden Bürgertum in den großen Städten bedroht, andererseits weiten die Landesfürsten ihre Herrschaft aus, ohne Rücksicht auf die Besitztümer der Ritter, die wie kleine versprengte Tupfen in ihren Territorien liegen. Seine drei größten Fehden führt Götz von Berlichingen gegen die Städte Köln, Nürnberg und Mainz. "Und dann haben die Fürsten eines Tages diese vielen kleinen Ritter nur noch als Störfaktoren betrachtet, und haben versucht, sie sich nach und nach zu unterwerfen. Das war ein legitimes fürstliches Bestreben. Es war seitens der Ritter ebenso legitim, zu sagen, mit uns nicht!", erklärt Andermann.

Von Berlichingen darf nie wieder ein Pferd besteigen

Im Bauernkrieg von 1525 lässt sich Götz von Berlichingen mit den Aufständischen ein. Plündernd und marodierend zieht er mit ihnen durchs Land - um zwischen Leibeigenen und Herrschern zu vermitteln, behauptet er später. Vom schwäbischen Bund, einer Fürstenvereinigung zur Sicherung des Landfriedens, wird er dennoch schändlich bestraft. Er wird unter Hausarrest gestellt, darf das Gebiet um seine Burg nicht verlassen und nie wieder ein Pferd besteigen: eine entsetzliche Strafe für einen Ritter. Erstaunlicherweise hält sich Götz von Berlichingen 16 Jahre daran: Geht brav zu Fuß, brennt Schnaps gegen die Langeweile, bewirtschaftet sein Land. Er hat verstanden, dass sich die Zeiten geändert haben. Schließlich tun sich mehrere Fürsten zusammen und bitten den Kaiser um Amnestie für den rauflustigen Ritter mit der eisernen Hand. Fehde führt er bis zu seinem Tod am 23. Juli 1562 nie wieder. Ganz ist ihm die Streitlust nicht auszutreiben, aber er prozessiert nun vor dem Reichskammergericht und setzt sein Recht auf mittelalterliche Manier durch. Meistens zumindest: Einmal, Götz von Berlichingen ist schon hoch betagt, treibt er einem Kontrahenten mitten in der Nacht die Schweine von der Weide.

Stand: 23.07.2012

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