Es ist die Nacht zum 1. Juli 1997 punkt null Uhr, als der letzte britische Gouverneur Hongkongs, Chris Patten, per Telegramm Vollzug meldet: "Ich habe die Verwaltung dieser Regierung abgegeben. Gott schütze die Königin. Patten." Die Hoheit des Vereinigten Königreiches über Hongkong ist beendet - der unspektakuläre Schlusspunkt einer Erfolgsgeschichte, die anfangs nicht absehbar ist. Denn Hongkong ist zunächst nur eine von hunderten Inseln an der Mündung des Perlflusses in der abgelegenen Provinz Guangdong, fast 2.000 Kilometer von der Hauptstadt Peking entfernt.
Nach dem Ersten Opium-Krieg 1842 wird Hongkong zur Kronkolonie ausgerufen. Doch in London ist man über die Kriegsbeute nicht glücklich. "Sie haben die Annektierung von Hongkong erwirkt, einem öden Eiland mit kaum einem Haus darauf", rügt der englische Außenminister Lord Melbourne den dafür verantwortlichen Captain Charles Eliot. "Es ist offensichtlich, dass Hongkong niemals Handelsplatz sein wird." Doch der Außenminister irrt sich, Hongkong entwickelt sich bald zum florierenden Wirtschaftszentrum.
"Pickel am Arsch des chinesischen Imperiums"
Die Zahl der Einwohner steigt rasant: von rund 4.500 im Jahr 1841 auf 33.000 zehn Jahre später, auf knapp 900.000 im Jahr 1931. Hongkong wird zu Asiens Boomtown. Bald wird es auch Fluchtziel für chinesische Oppositionelle - zunächst für Rebellen, Monarchisten, später für Kommunisten. Alle können dort frei und in Rechtsstaatlichkeit leben.
In China gibt es für Hongkong lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit, sagt Historiker Frank Welsh: "Hongkong war nicht mehr als ein Pickel am Arsch des chinesischen Imperiums." Es sei einfach nicht wichtig gewesen. "Lediglich der Krieg von 1860, der zur Abtretung von Kowloon - dem südlichen Teil einer Halbinsel, die Hongkong gegenüberliegt - an die Briten führt, habe für etwas Aufregung gesorgt.
"Ein Land, zwei Systeme"
Chinas offizielle Haltung hört sich allerdings anders an - vor allem, als der 99-jährige Pachtvertrag ausläuft für die Gebiete um Hongkong und Kowloon. Den haben die Briten den Chinesen 1898 abgenötigt, um die wachsende Kronkolonie mit Trinkwasser zu versorgen. Als das Jahr 1997 näher rückt, beginnen Gespräche über die Abwicklung der Rückgabe. Ein Teil der Verhandlungen findet 1989 statt - während des Massakers auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens, als chinesische Panzer die studentische Demokratiebewegung niederwalzen. In Hongkong ist die Stimmung nervös: "Die Menschen waren alarmiert angesichts der Übergabe in nur acht Jahren", sagt Gouverneur Patten rückblickend.
Man einigt sich schließlich darauf, dass Hongkong nach der Doktrin "ein Land, zwei Systeme" eine chinesische Sonderverwaltungszone werden soll. Es werden Rechtsstaatlichkeit und Bürgerfreiheit vereinbart. Daran halten sich die Chinesen nach der Rückgabe Hongkongs am 30. Juni 1997 im Großen und Ganzen, sagt Historiker Welsh. Der einzige Unterschied zu früher sei, "dass die Jungs, die vor dem Haus des Gouverneurs Wache schieben, keine britischen Uniformen tragen."
Stand: 30.06.2012
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